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Urteil des Finanzgerichts : Nicht jeder Arbeitnehmer hat steuerlich eine erste Tätigkeitsstätte

Unter dem Begriff der Reisekosten werden die typischen Kosten zusammengefasst, die bei einer beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte anfallen. Diese umfassen sowohl die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen als auch Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.

Lesezeit 3 Min.
Urteil des Finanzgerichts
Urteil des Finanzgerichts

Für die steuerfreie Zahlung von Reisekosten muss eine aus­wärtige berufliche Tätigkeit vorliegen.

Tätigkeitsstätte ist eine

  • von der Wohnung getrennte,
  • ortsfeste betriebliche Einrichtung.

Festlegung durch den Arbeitgeber

Eine „erste Tätigkeitsstätte“ liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer sol­chen Tätigkeitsstätte dauerhaft zuge­ordnet ist. Ist der Arbeitnehmer nur vorübergehend einer Tätigkeitsstätte zugeordnet, begründet er dort keine erste Tätigkeitsstätte. Die dauer­hafte Zuordnung des Arbeitneh­mers wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt. Das gilt für Arbeit­nehmer, unabhängig davon, ob diese schriftlich oder mündlich erteilt worden sind.

Die typischen Fälle einer dauerhaf­ten Zuordnung sind die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers

  • zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung,
  • die Zuordnung für die gesamte Dauer des – befristeten oder unbefriste­ten – Dienstverhältnisses oder
  • die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.

Hinweis

Die Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft.

Entscheidend sind dabei allein die Festlegungen des Arbeitgebers und die im Rahmen des Dienstverhält­nisses erteilten Weisungen.

Bei Verzicht auf Zuordnung

Fehlt es an einer dauerhaften Zuord­nung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Fest­legung nach den oben aufgeführ­ten Kriterien, weil beispielweise der Arbeitgeber ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat, ist von einer „ersten Tätigkeitsstätte“ an einer betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der Arbeitnehmer

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeits­tage oder
  • mindestens ein Drittel seiner verein­barten regelmäßigen Arbeitszeit

dauerhaft tätig werden soll.

Verpflegungsmehraufwendungen können bei einer auswärtigen beruf­lichen Tätigkeit außerhalb der Woh­nung und der ersten Tätigkeitsstätte mit Pauschbeträgen steuerlich berück­sichtigt werden. Verpflegungsmehr­aufwandspauschalen werden auf die ersten drei Monate einer längerfristi­gen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Eine neue Dreimonatsfrist beginnt nur, wenn die Tätigkeit an derselben Tätigkeits­stätte für mindestens vier Wochen unterbrochen war. Dieselbe Tätigkeits­stätte liegt nur vor, wenn der Arbeit­nehmer dort regelmäßig an drei Tagen wöchentlich tätig ist.

Die Verpflegungspauschale beträgt bei einer eintägigen Abwesenheit von mehr als acht Stunden 14 Euro. Dies gilt auch bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden über Nacht ohne Übernachtung. Bei mehrfachen Tätigkeiten an einem Tag – auch über Nacht ohne Übernachtung – kön­nen die Zeiten zusammengerechnet werden.

Bei einer mehrtägigen Auswärtstätig­keit im Inland wird die Pauschale von 14 Euro für den An- und Abreisetag (auch bei weniger als acht Stunden) und von 28 Euro für den Zwischen­tag zwischen zwei Übernachtungen gewährt.

Urteil des Finanzgerichts: Bauleiter hat keine erste Tätigkeitsstätte

Wird eine Niederlassung eines inter­national tätigen Bauunternehmens im Arbeitsvertrag eines Bauleiters als „Einstellungsort“ bezeichnet, so ist allein deswegen nicht von einer „dauerhaften“ Zuordnung durch den Arbeitgeber zu dieser Niederlassung auszugehen.

Urteil des Finanzgerichts 2
Urteil des Finanzgerichts 2

Nach einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern vom 24.11.2021 (Az.: 3 K 6/20) stellt die Nie­derlassung auch dann keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar, wenn er einem Gruppenleiter dieser Niederlassung zugewiesen ist, er circa einmal wöchentlich an einer Arbeits­beratung sowie einige Male pro Jahr an sonstigen Besprechungen in dieser Niederlassung teilnimmt und wenn dem Bauleiter zwar ein Büro in dieser Niederlassung zur Verfügung steht, er tatsächlich jedoch den größeren Teil  der Schreibtischarbeit außerhalb die­ses Büros erledigt.

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kommt es für die Gel­tendmachung von Verpflegungsmehr­aufwand nur darauf an, ob er ohne Übernachtung jeweils mehr als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war.

Auf die Dreimonatsfrist kommt es nur an, wenn der Steuerpflichtige an derselben Tätigkeitsstelle längerfris­tig tätig wird, und zwar an mindes­tens drei Tagen pro Woche. Das trifft bei einem Bauleiter nicht zu, wenn er nicht auf einer bestimmten Baustelle dauerhaft arbeitet, sondern die Arbei­ten auf mehreren Baustellen zeitgleich leitet und damit typischerweise von Baustelle zu Baustelle fährt.

Gegen die Entscheidung des FG hat das unterlegene Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az.: VI R 27/21).

Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist

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