Urteil des Finanzgerichts : Nicht jeder Arbeitnehmer hat steuerlich eine erste Tätigkeitsstätte
Unter dem Begriff der Reisekosten werden die typischen Kosten zusammengefasst, die bei einer beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte anfallen. Diese umfassen sowohl die Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen als auch Übernachtungskosten und Reisenebenkosten.

Für die steuerfreie Zahlung von Reisekosten muss eine auswärtige berufliche Tätigkeit vorliegen.
Tätigkeitsstätte ist eine
- von der Wohnung getrennte,
- ortsfeste betriebliche Einrichtung.
Festlegung durch den Arbeitgeber
Eine „erste Tätigkeitsstätte“ liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer solchen Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer nur vorübergehend einer Tätigkeitsstätte zugeordnet, begründet er dort keine erste Tätigkeitsstätte. Die dauerhafte Zuordnung des Arbeitnehmers wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt. Das gilt für Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob diese schriftlich oder mündlich erteilt worden sind.
Die typischen Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers
- zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung,
- die Zuordnung für die gesamte Dauer des – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder
- die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
Hinweis
Die Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft.
Entscheidend sind dabei allein die Festlegungen des Arbeitgebers und die im Rahmen des Dienstverhältnisses erteilten Weisungen.
Bei Verzicht auf Zuordnung
Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung nach den oben aufgeführten Kriterien, weil beispielweise der Arbeitgeber ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat, ist von einer „ersten Tätigkeitsstätte“ an einer betrieblichen Einrichtung auszugehen, an der der Arbeitnehmer
- typischerweise arbeitstäglich oder
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
- mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
dauerhaft tätig werden soll.
Verpflegungsmehraufwendungen können bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit außerhalb der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte mit Pauschbeträgen steuerlich berücksichtigt werden. Verpflegungsmehraufwandspauschalen werden auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Eine neue Dreimonatsfrist beginnt nur, wenn die Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte für mindestens vier Wochen unterbrochen war. Dieselbe Tätigkeitsstätte liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer dort regelmäßig an drei Tagen wöchentlich tätig ist.
Die Verpflegungspauschale beträgt bei einer eintägigen Abwesenheit von mehr als acht Stunden 14 Euro. Dies gilt auch bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden über Nacht ohne Übernachtung. Bei mehrfachen Tätigkeiten an einem Tag – auch über Nacht ohne Übernachtung – können die Zeiten zusammengerechnet werden.
Bei einer mehrtägigen Auswärtstätigkeit im Inland wird die Pauschale von 14 Euro für den An- und Abreisetag (auch bei weniger als acht Stunden) und von 28 Euro für den Zwischentag zwischen zwei Übernachtungen gewährt.
Urteil des Finanzgerichts: Bauleiter hat keine erste Tätigkeitsstätte
Wird eine Niederlassung eines international tätigen Bauunternehmens im Arbeitsvertrag eines Bauleiters als „Einstellungsort“ bezeichnet, so ist allein deswegen nicht von einer „dauerhaften“ Zuordnung durch den Arbeitgeber zu dieser Niederlassung auszugehen.

Nach einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern vom 24.11.2021 (Az.: 3 K 6/20) stellt die Niederlassung auch dann keine erste Tätigkeitsstätte für den Bauleiter dar, wenn er einem Gruppenleiter dieser Niederlassung zugewiesen ist, er circa einmal wöchentlich an einer Arbeitsberatung sowie einige Male pro Jahr an sonstigen Besprechungen in dieser Niederlassung teilnimmt und wenn dem Bauleiter zwar ein Büro in dieser Niederlassung zur Verfügung steht, er tatsächlich jedoch den größeren Teil der Schreibtischarbeit außerhalb dieses Büros erledigt.
Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, kommt es für die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwand nur darauf an, ob er ohne Übernachtung jeweils mehr als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war.
Auf die Dreimonatsfrist kommt es nur an, wenn der Steuerpflichtige an derselben Tätigkeitsstelle längerfristig tätig wird, und zwar an mindestens drei Tagen pro Woche. Das trifft bei einem Bauleiter nicht zu, wenn er nicht auf einer bestimmten Baustelle dauerhaft arbeitet, sondern die Arbeiten auf mehreren Baustellen zeitgleich leitet und damit typischerweise von Baustelle zu Baustelle fährt.
Gegen die Entscheidung des FG hat das unterlegene Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az.: VI R 27/21).
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist