Ausbildung und Berufsschule : Zusammenarbeit und Konflikte
Wer mit Ausbildern spricht und dabei auf das Thema Berufsschule kommt, erlebt mitunter zumindest ein genervtes Augenrollen, wenn nicht sogar Schimpftiraden. Sind das Ausnahmen? Leider nicht. Die Erfahrungen sind allerdings von Bundesland zu Bundesland und auch von Schule zu Schule recht unterschiedlich. Es ist halt wie im richtigen Leben: Es gibt engagierte Lehrer und Berufsschulen, die einen ausgezeichneten Job machen und eng mit den Ausbildungsbetrieben zusammenarbeiten. Leider gibt es aber auch die anderen.
Der Grundsatz
In der dualen Berufsausbildung teilen sich die Berufsschule und der Ausbildungsbetrieb die Aufgaben. „Die Berufsschule hat die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern den Erwerb berufsbezogener und berufsübergreifender Kompetenzen unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der Berufsausbildung zu ermöglichen. Sie befähigt zur Ausübung eines Berufes und zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung.“ Soweit das Zitat aus der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz über die Berufsschule (in der Fassung vom 09.09.2021).
Die Realität
Insbesondere Ausbilder, die für die Ausbildung in mehreren Bundesländern mit unterschiedlichen Berufsschulen verantwortlich sind, werden bestätigen, dass es erhebliche Unterschiede gibt – sowohl in der (technischen) Ausstattung als auch beim Engagement der Lehrkräfte.
Ja, es gibt Berufsschullehrer, die in den Ferien (!) freiwillig ein Praktikum in einem Ausbildungsbetrieb machen, um die Realität ihrer Schüler im Arbeitsalltag kennenzulernen. Ja, es gibt Berufsschulen, an denen Praktiker im Nebenjob die Fachthemen unterrichten und so die Arbeitspraxis einbringen können. Ja, es gibt Berufsschulen, an denen Quereinsteiger die Fachthemen als Vollzeitlehrkräfte unterrichten. Und ja, es gibt Berufsschulen, die über eine gute Ausstattung mit funktionierendem WLAN und einigermaßen aktuellen Arbeitsmitteln verfügen.
Und dann gibt es die anderen Berufsschulen, in denen mit veralteten Maschinen gearbeitet wird, für die WLAN ein Fremdwort und das Internet noch immer „Neuland“ ist.

Mit Lehrkräften, die routiniert ihr Programm abspulen, das sie seit Jahren nicht mehr angepasst haben. Wo die Schüler den Lehrern den Umgang mit modernen Maschinen erklären müssten. An solchen Schulen ist die Berufsschulzeit – zumindest für den fachlichen Ausbildungsteil – verschenkte Zeit. Das empfinden wohl auch die meisten Auszubildenden so.
Klare Trennung der Aufgaben?
Eigentlich sollte die Aufgabentrennung klar sein: Der Ausbildungsbetrieb ist für die praktische Ausbildung zuständig, die Berufsschule für den theoretischen Hintergrund. Das klappt aus verschiedenen Gründen in der Praxis nicht so recht. Ein Grund ist die zeitliche Planung. Oft wird in der praktischen Ausbildung im Betrieb etwas vermittelt, was in der Berufsschule erst später (oder manchmal gar nicht) Thema ist. Also bleibt dem Ausbilder nichts anderes übrig, als dem Auszubildenden auch den theoretischen Hintergrund zu vermitteln. Umgekehrt versuchen mitunter Berufsschullehrer, praktische Fertigkeiten in ihren Unterricht einzubauen – im Grunde genommen ein ehrenwerter Versuch, leider oft mit untauglichen, weil veralteten Mitteln.
Auch die – eigentlich der Berufsschule zukommende – Aufgabe, eine ganzheitliche Ausbildung zu gewährleisten, also beispielsweise auch soziale Kompetenzen zu vermitteln, muss oft genug von den Ausbildungsbetrieben wahrgenommen werden. Zugegeben, für die Lehrer ist es auch nicht immer einfach, wenn sie eine Klasse mit 30 Schülern mit ebenso vielen verschiedenen Betrieben und Ausbildern unterrichten. Was die Kompetenzen angeht, ist es auch dort ein Unterschied, ob ein Ausbilder nur einen Auszubildenden betreut, dies sozusagen „nebenbei“ macht, oder hauptamtlich für eine ganze Reihe von Auszubildenden zuständig ist.
Was kann man tun?
Wie in vielen anderen Bereichen gilt auch hier: Sprechen Sie miteinander. Das wird nicht in allen Fällen gelingen, aber vielfach ist es tatsächlich die Sprachlosigkeit, die zu Missverständnissen und gegenseitigen Vorwürfen führt.
Wenn eine Berufsschule nicht über die finanziellen Mittel verfügt, in ihren Werkstätten aktuelle Gerätschaften und Werkzeuge vorzuhalten, hilft aller guter Wille der Lehrkräfte nicht. Aber vielleicht können in einem solchen Fall ja die Ausbildungsbetriebe sich zusammentun und entweder die notwendigen Gerätschaften (ggf. leihweise) zur Verfügung stellen oder die Anschaffung sponsern. Dann wird unter Umständen gleich der Einwand kommen, dass die Schulen eine solche Spende nicht annehmen dürfen, was in meinen Augen zwar Unsinn ist, aber wenn Befürchtungen in Richtung Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit gehen sollten – warum nicht einen „Schulverein“ gründen? Funktioniert in allgemeinbildenden Schulen vielerorts ja auch. Dieser – gemeinnützige – Verein kann Gelder einwerben und der Schule die notwendigen Geräte zur Verfügung stellen. Durch eine solche Einrichtung wird zudem die Kommunikation zwischen Ausbildungsbetrieben und Schule auf eine standardisierte Basis gestellt.
Aber Reden geht auch so: Regelmäßige Treffen zwischen Berufsschullehrern und den Ausbildungsbetrieben sollten sich zum Standard entwickeln. So können gegenseitig Erfahrungen ausgetauscht, Lernkonzepte abgesprochen werden und vor allem kann das Verständnis füreinander und für die Probleme der anderen Seite gefördert werden. Das ist auch für die Ausbilder nicht immer einfach, gerade wenn sie als Einzelkämpfer ihre Aufgabe nur als kleinen Teil ihres Jobs wahrnehmen müssen, aber der Aufwand lohnt sich.
Ziel muss es sein, eine abgestimmte, umfassende Ausbildung sicherzustellen. Das kommt allen zugute und die Auszubildenden werden es Ihnen danken.
Jürgen Heidenreich
