Im Blick: Arbeitsrecht : BAG: Schriftform bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen auch weiterhin im Fokus
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 05.03.2024 – 9 AZR 2024/23
Arbeitnehmerüberlassungsverträge bedürfen (noch) der Schriftform. Vor Vertragsunterzeichnung ist der noch nicht der Schriftform entsprechende Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nichtig. Ein solcher formnichtiger Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wird nicht dadurch nachträglich wirksam, dass Entleiher und Verleiher nach der Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer die Schriftform erfüllen. Rechtsfolge eines formnichtigen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.
Verortung des Urteils
In dem Urteil geht es um die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht bei der Arbeitnehmerüberlassung. Das BAG stellt klar: Die Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und der Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG setzt das Bestehen eines formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns voraus.
Kurz zur Erinnerung: Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf zwingend der Schriftform (§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG). Aufgrund des Schriftformerfordernisses führt ein Formmangel automatisch zur Nichtigkeit. Außerdem ist der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ausdrücklich als solcher zu überschreiben sowie der betreffende Leiharbeitnehmer namentlich zu benennen, und zwar vor Aufnahme der Tätigkeit durch den Leiharbeitnehmer (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6, i. V. m. § 12 AÜG).
Der Sachverhalt
Der Kläger war seit 2012 zunächst auf Basis eines Werkvertrags beim beklagten Unternehmen tätig. Ab dem 16.02.2018 wurde der Kläger dann als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der zu Grunde liegende Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wurde vom Verleiher am 05.02.2018 und damit vor Beginn der Überlassung unterzeichnet. Das entleihende Unternehmen unterzeichnete den Vertrag hingegen erst am 28.02.2018 – nach dem Beginn der Tätigkeit. Der Vertrag enthielt eine Anlage mit Angaben zum konkreten Einsatzzeitraum vom 16.02.2018 bis zum 31.12.2018. Über den geplanten Einsatz war der beim Unternehmen gebildete Betriebsrat mit Schreiben vom 05.02.2018 informiert worden. Er hatte am 08.02.2018 zugestimmt.
Die Entscheidung
Das BAG entschied, dass zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Es sei ein formwirksamer, d. h. ein von Verleiher und Entleiher schriftlich im Original unterzeichneter Arbeitnehmerüberlassungsvertrag im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns erforderlich, um die Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu erfüllen.
Diese Offenlegungspflicht verlangt, dass die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich als solche bezeichnet wird. Durch die gesetzliche Konkretisierungspflicht soll die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezug auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkret benannt werden. Die Offenlegung und die Konkretisierung müssen jeweils vor Überlassungsbeginn erfolgen.
Ein zum Beginn der Arbeitnehmerüberlassung formnichtiger Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wird nicht nachträglich wirksam, wenn Entleiher und Verleiher nach der Arbeitsaufnahme die Schriftform erfüllen. Der Vertrag kann deshalb als solcher nicht schon die Grundlage für die Erfüllung der Offenlegungspflicht bilden. Auch die Konkretisierung der Person des Leiharbeitnehmers, die zwar – anders als die Offenlegung – nicht zwingend im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag selbst, aber „unter Bezugnahme auf diesen Vertrag“ zu erfolgen hat, knüpft an das Vorliegen eines Vertrags an und setzt damit einen formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bei Überlassungsbeginn voraus. Eine Konkretisierung sei im konkreten Fall auch nicht dadurch erfolgt, dass das Unternehmen den bei sich gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 05.02.2018 über den geplanten Einsatz des Leiharbeitnehmers informiert habe.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil hebt abermals die zentrale Bedeutung der Einhaltung der formalen Anforderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung hervor. Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz sieht zwar vor, die in § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG normierte „Schriftform“ durch „Textform“ zu ersetzen. Solange das Gesetz jedoch noch nicht verabschiedet wurde, bleibt es bei der strengen Formvorschrift. Arbeitgeber, die Leiharbeitnehmer einsetzen möchten, sollten zwingend auf die Einhaltung der Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten durch einen formwirksamen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum Zeitpunkt des Überlassungsbeginns achten. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist vor dem Einsatz von Leiharbeitnehmern schriftlich abzufassen, also im Original zu unterzeichnen.
Praxistipps |
Der fachlichen Weisung zum AÜG der Agentur für Arbeit vom 01.08.2019 ist zu entnehmen, dass sie mit Verweis auf die Dokumentationspflichten einen Nachweis der Konkretisierung auf bestimmte Leiharbeitnehmer in Textform verlangt, der zu den Geschäftsunterlagen zu nehmen ist. Auch hinsichtlich der Konkretisierung ist somit auf die Einhaltung der Textform zu achten. Ist hingegen – etwa aufgrund besonderer Expertise – die Überlassung eines bestimmten Leiharbeitnehmers gewollt, ist auch hier auf die Einhaltung der Schriftform hinsichtlich der Konkretisierung zu achten. |

