Attraktiver Benefit? : Fünf Mythen zur betrieblichen Altersversorgung
Alle Großunternehmen haben sie seit Jahrzehnten in ihrem Benefit-Programm: die betriebliche Altersversorgung (bAV). Warum dieses attraktive Vorsorgemodell im Mittelstand noch immer zu wenig Verbreitung findet, kann auch auf Mythen zurückgeführt werden. Dem Autor begegnen regelmäßig Aussagen, die in diesem Artikel durchleuchtet werden.
Mythos 1: Die bAV ist kompliziert, teuer und haftungsanfällig
Tatsächlich wirkt die Summe aus fünf Durchführungswegen, drei Zusagearten, unterschiedlichen Regelungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht sowie vielen weiteren Regelungen für den Laien sehr kompliziert. Pressemeldungen von Unternehmen, die unter ihren Altersversorgungszusagen ächzen, sowie gerichtlich ausgefochtene Streitigkeiten um Rentenanpassungen machen den Eindruck nicht besser.
In der Gesamtschau sind viele dieser Eindrücke zutreffend, aber eben auch vermeidbar – zumindest die negativen Effekte.
Wie der Namen schon sagt, ist die betriebliche Altersversorgung eine Versorgung durch den Betrieb. Damit Arbeitgeber nicht in guten Zeiten Zusagen erteilen, die sie in schlechten Zeiten wieder zurückziehen, hat sich das Betriebsrentengesetz seit nunmehr fast 50 Jahren als Arbeitnehmerschutzgesetz etabliert. Regelmäßige Änderungen haben neue Möglichkeiten hinzugefügt und Aktualisierungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, wie es offiziell heißt, erfolgen von Zeit zu Zeit.
Weil sich die Welt verändert, müssen sich eben auch Gesetze ändern. Der Schutz der Arbeitnehmerschaft bleibt dabei im Vordergrund, denn die betriebliche Vorsorge ist kaum durch private Sparvorgänge zu ersetzen.
Wenn auf die sogenannten versicherungsförmigen Durchführungswege zurückgegriffen wird, kann ein mittelständischer Arbeitgeber etablierte Lösungen abrufen und bilanzneutral Zusagen erteilen. Wenn nur der gesetzlich verpflichtende Zuschuss zur Entgeltumwandlung gezahlt wird, entstehen keine Kosten und eine Haftung lässt sich durch die Auswahl von gut ausgebildeten Beratern sowie soliden Versicherern auf ein theoretisches Mindestmaß reduzieren.
Kompliziert, teuer und haftungsanfällig ist für die häufigen Lösungen im Mittelstand somit ein Mythos.

Mythos 2: Ein Arbeitgeberwechsel ist eine Hürde
Waren früher Betriebszugehörigkeiten von mehreren Jahrzehnten noch an der Tagesordnung, so ist die Flexibilisierung der Arbeitsplätze zwischenzeitlich Standard. Damit einhergehend sind Jobwechsel an der Tagesordnung. Sofern nicht Unterstützungskassenzusagen oder Direktzusagen erteilt wurden, haben Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf Übertragung ihrer betrieblichen Versorgung. Das beugt einem „Flickenteppich“ vor, reduziert den Verwaltungsaufwand auf allen Seiten und lässt eine sinnvolle Fortführung bereits angefangener Sparvorgänge zu.
Neue Arbeitgeber können trotzdem die Regelungshoheit behalten, weil ihnen die Wahl des Versicherers obliegt. Somit hat sich die bereits 2005 erstmals im Gesetz niedergeschriebene „Portierungspflicht“ als Standardlösung für z. B. Direktversicherungen etabliert.
Wenn entsprechende Regelungen getroffen werden, ist die problemlose Weiterführung als Standardmodell zu betrachten, womit sich die Hürde eines Arbeitgeberwechsels als Mythos herausstellt.
Mythos 3: Niemand fragt nach der bAV
Das Finanzwesen in Deutschland ist kompliziert, unseriöse Berater haben die Branche in ein schlechtes Licht gerückt und damit bieten allein diese beiden Tatsachen einen guten Grund, sich an Vorurteile zu klammern. Dies vorausgeschickt, ist die fehlende Nachfrage nach betrieblicher Vorsorge mehr als nachvollziehbar.
Wer fragt schon nach etwas, worüber er selbst keine Klarheit hat? Und noch dazu bei seinem Arbeitgeber? Es ist nur menschlich, dass sich nur wenige eine solche Blöße geben wollen.
Wenn also niemand nach einer bAV fragt, kann das nur an mangelnder Kommunikation festgemacht werden – mangelnde Kommunikation über die positiven Auswirkungen, die eine bAV hat. Denn die Besserstellung zu jeder anderen Art einer vergleichbaren Vorsorge ist unumstritten. Arbeitgeberzuschüsse und die Verlagerung der Steuerpflicht in Zeiten niedrigen Einkommens bieten in nahezu jeder Konstellation eine Effektivitätssteigerung beim Sparen.
Mangelndes Interesse an mangelnder Nachfrage festzumachen, erweist sich also auch als ein Mythos.

Mythos 4: Steuern und Abgaben auf die Leistungen machen die bAV unattraktiv
Der Verweis auf die grundsätzliche Steuerpflicht von Betriebsrenten ist ebenso zutreffend wie die Pflicht, sie der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht zu unterwerfen. Letzteres gilt allerdings nicht für privat Krankenversicherte.
Es ist allgemein bekannt, dass das deutsche Steuersystem eine Progression vorsieht. Höhere Einkommen werden also auch prozentual immer höher besteuert.
Eine rhetorische Frage sei an dieser Stelle erlaubt:
Wer hat die höheren Einkünfte? Aktive Arbeitnehmer oder Rentner, die sich bereits im Ruhestand befinden?
Die Antwort „Arbeitnehmer“ ist ebenso klar wie wichtig, um die nachgelagerte Besteuerung gut zu finden.
Wenn eine Betriebsrente zusätzlich zur mageren gesetzlichen Rente gezahlt wird, fallen weniger Steuern an, als wenn zusätzliches Einkommen im aktiven Berufsleben erzielt wird.
Diese Logik gilt für laufende Renten. Einmalige Kapitalzahlungen sind unter diesem Aspekt eher unvorteilhaft.
Übrigens kann nicht oft genug auf die Vorteile einer lebenslangen Rente hingewiesen werden. Die steigende Lebenserwartung ist der Grund. Nur durch eine „Leibrente“ ist sichergestellt, dass bei falscher Einschätzung der eigenen Lebenserwartung am Ende des Lebens das Geld nicht ausgeht.
Zum Thema Kranken- und Pflegeversicherung auf Betriebsrenten hat der Gesetzgeber durch die Einführung eines Freibetrags (Krankenversicherung) und einer Freigrenze (Pflegeversicherung) für Erleichterung gesorgt. Durch Koppelung an die Bezugsgröße (§ 18 Sozialgesetzbuch (SGB) IV) steigen diese Beträge auch an und stellen zukünftig immer höhere Renten von der Abgabenlast frei.
Es gibt auch Stimmen im Markt, die den verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss zur entgeltumwandlung als Gegenfinanzierung zu den Abgaben an die Kranken- und Pflegeversicherung sehen. Einen direkten Zusammenhang gibt es dazu nicht, allerdings ist es mathematisch nachvollziehbar.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Steuer- und Abgabenpflicht nicht pauschal zu einer Abwertung der Attraktivität führt. Ein weiterer Mythos löst sich also bei näherer Betrachtung in Luft auf.
Mythos 5: Privates Sparen ist viel besser
Vor vielen Jahren wurde die Vorsorge für die Zeit nach dem Erwerbsleben mit dem „Drei-Säulen-Modell“ beschrieben. Die erste Säule stellte dabei die gesetzliche Rente dar, die zweite Säule deckten die Betriebsrenten ab und Säule drei stand für alle privaten Vorsorgelösungen.
Vermutlich aus Gründen der bildlichen Darstellung einer bröckelnden ersten Säule hat man das Wording seit dem Jahr 2005 geändert und das sogenannte Schichtenmodell eingeführt Dazu wurde im Prinzip nur ein 90-Grad-Schwenk gemacht, sodas nun die gesetzliche Versorgung die erste Schicht darstellt, auf der die betriebliche und die private Vorsorge aufsatteln.
Grundsätzlich basiert eine Altersversorgung aber noch immer auf der dreigeteilten Zusammenstellung.
Kernaussage ist, dass sich Vorsorgelösungen ergänzen sollten. Wenn es um eine lebenslängliche Rente geht, ist die bAV einer privaten Vorsorge deutlich überlegen. Kapital für frei verfügbares Vermögen anzusammeln und dabei die größtmöglichen Freiheiten zu haben, funktioniert in der dritten Schicht, also als private Investition vom eigenen Girokonto, am besten.
Der Mythos des „besseren Sparens“ auf privater Ebene lässt sich nicht ganz ausräumen. Vielmehr geht es um die Diversifizierung von Anlagen und damit um die Absicherung aus einem Baukasten. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, ist die Devise.
Martin Stolzenburg, „Mister bAV®“
