Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 8/2022)
Erhöhung
Midijob – Grenze steigt auf 2.000 Euro
Gerade erst wurde der Entgeltrahmen für den sozialversicherungsrechtlichen Übergangsbereich – kurz Midijobs – im Zuge der Minijobreform von 1.300 Euro auf 1.600 Euro erweitert, legt der Gesetzgeber ab Januar 2023 noch einmal nach und erhöht auf 2.000 Euro. Die Umrechnungsformeln werden entsprechend angepasst.
Das Problem: Seit Oktober 2022 gibt es eine besondere Umrechnungsformel für das beitragspflichtige Entgelt zur Berechnung des Arbeitnehmeranteils. Dieser beginnt (bei 520 Euro) quasi mit null Euro und steigert sich dann bis zur Obergrenze auf den vollen Arbeitnehmerbeitrag. Dafür erhöht sich die Zahlungspflicht des Arbeitgebers. Anders als bis zum 30.09.2022, wo der Arbeitgeber nur seinen Beitragsanteil aus dem tatsächlichen Entgelt übernehmen musste, trägt er jetzt zusätzlich den nicht vom Arbeitnehmer zu zahlender Betrag. Dadurch erhöhen sich die Lohnnebenkosten im Übergangsbereich ganz erheblich. Diese zusätzliche Belastung betrifft nun deutlich mehr Beschäftigungsverhältnisse als bisher, insbesondere solche in Teilzeit.
Auch für die Sozialversicherungsträger ist die Regelung für Midijobs ungünstig. Denn die Leistungen werden beispielsweise in der Krankenversicherung weitestgehend ohne Rücksicht auf die Höhe des gezahlten Beitrags gewährt. Nur bei Geldleistungen (hier: Krankengeld) spielt die Beitragshöhe eigentlich eine Rolle. Bei den Midijobbern wird das Krankengeld aber aus dem tatsächlichen Entgelt, nicht aus dem verringerten Betrag berechnet. Gleiches gilt für die Berechnung der Rente und des Arbeitslosengeldes. Deshalb müssen bei den Entgeltmeldungen für diesen Personenkreis auch stets beide Beträge, also das tatsächlich erzielte Entgelt und das beitragspflichtige Entgelt, angegeben werfen. Die Leistungen der Sozialversicherung bleiben also für den Betroffenen gleich, trotz verringerter Beitragszahlung.
Minderung
Insolvenzgeldumlage sinkt
Erstaunlich, aber wahr: Im Gegensatz zu den anderen Beitragssätzen, die in der Regel nur eine Richtung, nämlich nach oben, kennen, soll die Insolvenzgeldumlage für 2023 sinken, und zwar auf 0,06 Prozent. Gesetzlich ist ein Wert von 0,15 Prozent festgelegt, der aber durch Rechtsverordnung verringert werden kann. Für 2022 wurde der Umlagesatz per Verordnung auf 0,09 Prozent vermindert.
Die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen war in den vergangenen Jahren stets rückläufig:
Jahr | Unternehmensinsolvenzen |
2021 | 13.993 |
2020 | 15.841 |
2019 | 18.749 |
2018 | 19.302 |
2017 | 20.093 |
2016 | 21.518 |
2015 | 23.101 |
2014 | 24.085 |
2013 | 25.995 |
2012 | 28.297 |
2011 | 30.099 |
2010 | 31.998 |
2009 | 32.687 |
2008 | 29.291 |
2007 | 29.160 |
2006 | 34.137 |
2005 | 36.843 |
Auch 2022 liegen die Zahlen (1. Halbjahr) niedriger als im Vorjahr. Experten befürchten allerdings eine Welle von Insolvenzen im kommenden Jahr, bedingt durch die steigenden Energie- und Rohstoffkosten. Zudem laufen Schutzregelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aus.
Anpassungen an die Einkommensentwicklung
Neue Entgeltgrenzen 2023
Wie in jedem Jahr werden auch für 2023 die maßgeblichen Grenzwerte in der Sozialversicherung an die Einkommensentwicklung angepasst. Und das sind die neuen Werte:


Übergangsbereich (Midijobs):
von 520,01 Euro bis 2.000,00 Euro
Minijob: monatliches Entgelt bis 520,00 Euro
Alleinige Beitragspflicht des
Arbeitgebers (nur für Auszubildende): bis 325 Euro
Beitragszahlung
Fälligkeitstermine 2023
Die Beitragszahlung an die Einzugsstelle muss bis spätestens zum drittletzten Bankarbeitstag des Monats erfolgen, in dem die entsprechende Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist.
Bei der Berechnung der Frist werden Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage unberücksichtigt gelassen. Gleiches gilt für den 24. und den 31.12. eines Jahres. Maßgebend bei nicht bundeseinheitlichen Feiertagen ist immer der Sitz der Einzugsstelle, in der Regel also der Hauptverwaltung der zuständigen Krankenkasse bzw. der Minijobzentrale.
Der Beitragsnachweis muss jeweils zwei Arbeitstage vor der Fälligkeit bei der Einzugsstelle eingegangen sein. Das ist von besonderer Bedeutung bei Arbeitgebern, die ihre Beiträge im Einzugsverfahren entrichten.

Öffentliche Anträge
Unbedenklichkeitsbescheinigung
Für die Bewerbung insbesondere um öffentliche Aufträge müssen die Interessenten sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegen. Damit wird bestätigt, dass sie als Arbeitgeber ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ordnungsgemäß nachkommen.
Seit Anfang 2022 haben sich die Krankenkassen auf einheitliche Vordrucke für die Unbedenklichkeitsbescheinigung verständigt.
Eine weitere Erleichterung wird es ab 2024 geben – dann können die Arbeitgeber die Bescheinigung elektronisch beantragen und erhalten diese auf demselben Weg zurück. Einige Krankenkassen bieten heute schon die Möglichkeit des digitalen Antrags auf ihrer Internetseite.
Die Minijobzentrale und einige Krankenkassen versenden aktuell bereits Unbedenklichkeitsbescheinigungen im „Abo“, also regelmäßig automatisch.
Geschichte
Sozialversicherungsausweis hat ausgedient
Er hat viel erlebt, der Sozialversicherungsausweis, Höhen und Tiefen – jetzt geht es mit ihm zu Ende. Ab 2023 ist er Geschichte. Das Instrument hat sich trotz vieler Änderungsversuche letztlich nicht bewährt. Es scheiterte in erster Linie an der Fälschungssicherheit. Jetzt hat der Gesetzgeber die Konsequenzen gezogen und ihn endgültig abgeschafft.
Ab 2023 wird es bei der Vergabe einer neuen Rentenversicherungsnummer nur noch ein Bestätigungsschreiben der Rentenversicherung mit Angabe der Nummer geben. Mit dem Ende des Ausweises entfällt auch die Vorlagepflicht beim Arbeitgeber bei Aufnahme einer Beschäftigung.
Stattdessen nimmt der Arbeitgeber künftig nur noch eine elektronische Anfrage an den Rentenversicherungsträger vor. Die Rückmeldung erfolgt ebenfalls elektronisch. Da die Vorlagepflicht entfällt, muss der Arbeitgeber die notwendigen Daten unbedingt aus amtlichen Unterlagen (Personalausweis, Pass, Aufenthaltstitel) entnehmen. Das verwendete Dokument sollten Arbeitgeber kopieren und in den Entgeltunterlagen als Nachweis dokumentieren.
Krankheit
Elektronische AU-Bescheinigung
Es war ein langes Auf und Ab – die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat schon lange Geburtswehen hinter sich. Immer wieder scheiterte die Einführung an – meist digitalen – Problemen. Jetzt sind die Arztpraxen inzwischen entsprechend ausgestattet und melden die Arbeitsunfähigkeitszeiten digital an die Krankenkassen. Das gilt auch für Bescheinigungen der Krankenhäuser. Die Pilotphase läuft bereits seit einigen Monaten, die Arbeitgeber können die Arbeitsunfähigkeitszeiten bei den Kassen abrufen – bisher auf freiwilliger Basis.
Ab 2023 besteht die Pflicht zum Abruf der Daten seitens der Arbeitgeber. In der Regel erfolgt das automatisch über das Entgeltabrechnungsprogramm. Das geänderte Verfahren ändert nichts an der Pflicht des Beschäftigten, den Arbeitgeber unverzüglich von einer Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Nur die Übergabe der ärztlichen Bescheinigung auf Papier entfällt. Die Arbeitsunfähigkeitsdaten können in der Regel nach zwei bis drei Tagen von der Krankenkasse abgerufen werden.
Ab 2025 sollen Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen in den elektronischen Austausch einbezogen werden. Zunächst außerhalb des elektronischen Verfahrens bleiben Bescheinigungen für privat Krankenversicherte, Bescheinigungen von Privatärzten und im Ausland ausgestellte ärztliche Bescheinigungen.
Annahme von Meldungen
Nur noch eine Meldestelle je Kassenart
Eine Änderung, die zunächst ohne praktische Auswirkungen bleiben wird, ist die Beschränkung auf eine Meldestelle je Kassenart. Die Kassenarten (AOK, IKK, BKK und Ersatzkassen) müssen eine gemeinsame Meldestelle für die Annahme der Meldungen der Arbeitgeber errichten. Es gibt aber einen Bestandsschutz für bestehende Annahmestellen bei den einzelnen Krankenkassen. In der Praxis wird sich daher zunächst wenig ändern. Die Annahmestellen sind ohnehin in den Entgeltabrechnungsprogrammen gespeichert und die Meldungen werden automatisch an die richtige Stelle abgegeben.
Hinweis: Bei Redaktionsschluss waren noch nicht alle beschriebenen Regelungen endgültig beschlossen und in Kraft getreten. Änderungen sind daher zwar nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen.