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Urlaubsmanagement – Kompakt : Mindesturlaub

Vor vielen Jahren erschreckte viele Arbeitgeber und Personalverantwortliche ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), demzufolge der gesetzliche Urlaubs-anspruch bei Arbeitsunfähigkeit nicht mehr verfällt. Die Fülle an Rechtsprechungen des EuGH sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben den Anspruch der Beschäf¬tigten auf bezahlten Mindesturlaub zur Erholung seither deutlich gestärkt. Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof die Tür weit aufgestoßen und strenge Vorausset¬zungen an die Verjährung des urlaubsbezogenen Vergütungsanspruchs geknüpft. Wir nehmen dies zum Anlass, eine Bestandsaufnahme zu machen und einen kom¬pakten Überblick über die Vielzahl der aktuellen Regelungen zu geben.

Lesezeit 5 Min.

Gesetzlicher Mindesturlaub im Überblick

Alle Arbeitnehmer haben grundsätz­lich in jedem Kalenderjahr einen An­spruch auf Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt nach dem Bun­desurlaubsgesetz (BUrlG) vier Wochen.

Entsprechend besteht bei einer Fünf-Tage-Woche ein gesetzlicher Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen. Eine längere Urlaubsdauer kann sich aus dem Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag ergeben. Derzeit ist ein tariflicher Jahresurlaub von fünf bis sechs Wochen üblich. Zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses entsteht gem. § 4 BUrlG ein voller Urlaubsanspruch erstmalig nach Vollendung der War­tezeit von sechs Monaten. Maßgeblich ist hier allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, ohne dass es auf die tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistungen ankommt. Es gilt das Gebot der Gleichbehandlung, folg­lich gehören auch Berufsausbildungs-, Teilzeit- und geringfügige Beschäfti­gungsverhältnisse dazu.

Ein Teilurlaubsanspruch besteht bei Ausscheiden innerhalb der Warte­zeit gem. § 5 BUrlG in Höhe von einem Zwölftel (1/12) des jährlichen Urlaubs­anspruchs je vollen Monat des Beste­hens des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaub soll grundsätzlich im laufen­den Kalenderjahr zusammenhängend gewährt und genommen werden. Ein Übertragungsanspruch bis zum 31.03. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jah­res oder darüber hinaus kann einzel­vertraglich vereinbart werden oder sich aus Tarifverträgen ergeben.

Gesetzlicher Vergütungsanspruch für Urlaub

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung während des Ur­laubs (Urlaubsentgelt). Die Höhe rich­tet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs. Überstundenvergütun­gen werden nicht berücksichtigt. Ein gesetzlicher Anspruch auf ein zusätz­liches Urlaubsgeld (Gratifikation) be­steht nicht.

Häufig wird aufgrund tarifvertragli­cher oder arbeitsvertraglicher Rege­lungen Urlaubsgeld gewährt. Daneben kann sich ein Rechtsanspruch aus be­trieblicher Übung ergeben. Dies gilt, wenn in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils auf freiwilliger Basis Urlaubsgeld gewährt wurde, ohne dass der Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigten einen schriftlichen Frei­willigkeitsvorbehalt erklärt hat.

Urlaubsanspruch und Arbeitsunfähigkeit

Der gesetzliche Anspruch auf Min­desturlaub erlöscht nicht, wenn zum Ende des Übertragungszeitraums (ge­setzlich ist das der 31.12. eines Jahres) die Urlaubsnahme infolge Arbeitsun­fähigkeit unmöglich ist (EuGH vom 22.01.2009, Az. C-350/06 und C-520/06; BAG vom 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10).

Dieser Anspruch verfällt erst 15 Mo­nate nach Ablauf des Urlaubsjahres (EuGH vom 22.11.2011, Az. C-214/19, BAG vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 425/10 sowie BAG vom 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10), d. h. zum 31. März des übernächsten Jahres. Setzt ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer nach seiner Gene­sung die Arbeit fort, gehen nach einer Entscheidung des BAG (Urteil vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 425/10) während der Arbeitsunfähigkeit angesammelte Ansprüche mit dem Ende des laufen­den Kalenderjahres unter, in dem der Arbeitnehmer nach seiner Genesung die Arbeit fortsetzt.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer im aktuellen Urlaubs­jahr so rechtzeitig wieder gesund wird, dass er seinen Urlaub in der ver­bleibenden Zeit noch nehmen kann. Dann muss er – um den Verfall des Urlaubs zu verhindern – seinen ge­samten, während der Krankheitszeit angesammelten Urlaub im selben Kalenderjahr bzw. gegebenenfalls spätestens zum Ablauf des Übertra­gungszeitraums geltend machen.

Mindesturlaub-min
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Urlaubsbezogene Hinweis­pflichten des Arbeitgebers

Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitneh­mer zuvor über seinen Urlaubsan­spruch und die Verfallsfristen belehrt hat (LAG Köln, Urteil vom 09.04.2019, Az. 4 Sa 242/18). Diese Initiativlast des Arbeitgebers bezieht sich auch auf den Urlaub aus vorangegangenen Jahren.

Kein automatischer Verfall des Urlaubsanspruchs

Der Europäische Gerichtshof hat ganz aktuell (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, Az. C-120/21) in drei Fällen aus Deutschland entschieden, dass der Ur­laubsanspruch in bestimmten Fällen doch nicht verfällt bzw. verjährt. Die Fälle drehten sich einerseits um zwei Sachverhalte mit langer krankheits­bedingter Arbeitsunfähigkeit und an­dererseits um einen Sachverhalt der aufgeschobenen Urlaubsgewährung aufgrund eines auslastungsbedingt hohen Arbeitsaufwands. Entschei­dend sei, so der EuGH, ob der Arbeitge­ber seinen Teil dazu beigetragen und beispielsweise darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub bald verfällt. Für eine Verjährung müsse er den Arbeit­nehmer zuvor durch entsprechende Aufforderung tatsächlich in die Lage versetzt haben, seinen Urlaubsan­spruch auszuüben.

Urlaubsabgeltung nur bei Ausscheiden wirksam

Es ist grundsätzlich unzulässig, nicht in Anspruch genommenen Urlaub in Geld auszubezahlen (Urlaubsab­geltung). Dies würde dem Grundge­danken des Urlaubs widersprechen. Urlaub soll gewährt und eben nicht „abgekauft“ werden.

Tabelle Mindesturlaub-min
Tabelle Mindesturlaub-min

Die Urlaubsabgeltung ist rechtlich nur zulässig, wenn der Urlaubsanspruch wegen Beendigung des Arbeitsver­hältnisses nicht mehr erfüllt werden kann. Gekündigte Arbeitnehmer müs­sen ihren noch ausstehenden Urlaub nicht mehr bis Jahresende beziehungs­weise bis zum Ende des Übertragungs­zeitraums geltend machen (BAG, Urteil vom 19.06.2012, Az. 9 AZR 652/10). Für die Berechnung ist das gewöhnli­che Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers maßgebend.

Allerdings können tarifliche oder ver­tragliche Ausschlussfristen zum Ver­fall des Abgeltungsanspruchs führen. Bei übergesetzlichem Mehrurlaub führt eine einzelvertragliche oder ta­rifliche Ausschlussfrist immer zum Verfall des Abgeltungsanspruchs.

Das BAG hat am 09.08.2011 (Az. 9 AZR 365/10) entschieden, dass eine ta­rifliche Ausschlussklausel auch für die Abgeltung des gesetzlichen Min­desturlaubs gilt. Sieht ein Tarifvertrag z. B. eine dreimonatige Ausschluss­klausel nach Beendigung des Arbeits­verhältnisses vor, so verfallen alle Abgeltungsansprüche mit Ablauf die­ses Zeitraums.

Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben des­sen Erben nach § 1922 Abs. 1 Bürgerli­ches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Ab­geltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs. Dies entschied das BAG mit Urteil vom 22.01.2019, Az. 9 AZR 45/16.

Handlungsempfehlungen

Arbeitgeber sollten Mitarbeiter recht­zeitig auffordern, ihren Urlaub zu nehmen. Der Inhalt der jährlichen Aufforderung sollte in verständlicher Form eine vollständige und zutref­fende Mitteilung über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs sowie über die Anzahl der restlichen Ur­laubstage mit den jeweiligen Verfalls­fristen beinhalten.

Die Mitteilung sollte schriftlich erfol­gen und mit der Aufforderung ver­bunden sein, den Urlaub fristgerecht zu nehmen. Die EuGH-Entscheidung im Hinblick auf quarantänebezogene Sachverhalte bleibt abzuwarten.

Raschid Bouabba, MCGB GmbH

Mindesturlaub 2-min
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