Neuerungen : Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz
Ende 2021 hatten ca. 18,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber eine aktive Anwartschaft zur betrieblichen Altersvorsorge. Gegenüber 2017 bedeutete dies zwar eine Zunahme um ca. 0,7 Millionen Beschäftigte, aber vor dem Hintergrund des gleichzeitig erfolgten Beschäftigungsaufbaus blieb die Verbreitungsquote von ca. 53,5 Prozent in den letzten Jahren fast unverändert.
Die betriebliche Altersversorgung als notwendige Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung muss deshalb weiter ausgebaut und gestärkt werden. Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen nach wie vor große Verbreitungslücken bestehen, also vornehmlich in Kleinstunternehmen (mit max. zehn Beschäftigen) sowie bei Beschäftigten mit geringen Einkommen.
Betriebsrentenstärkungsgesetz 2018 im Rückblick
Wesentlicher Bestandteil des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) aus dem Jahr 2018 war die Einführung der reinen Beitragszusage in das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – kurz Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Bei dieser Zusageart beschränkt sich die Verpflichtung eines Arbeitgebers vorrangig auf die ordnungsgemäße Abführung von Beiträgen an einen externen Versorgungsträger. Bei den leistungsorientierten Zusagen treffen Arbeitgeber weitere Pflichten wie der Einstand für ein bestimmtes Versorgungsniveau. Dies brachte angesichts der langjährigen Niedrigzinsphase mit nur eingeschränkt attraktiven Anlagemöglichkeiten ein höheres potenzielles Nachschussrisiko für Arbeitgeber. Daher sollte die reine Beitragszusage (bekannt unter dem Motto: pay and forget) Haftungsrisiken für Arbeitgeber begrenzen und zu einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung beitragen.

Die reine Beitragszusage blieb jedoch nur ausgewählten Akteuren vorbehalten. Im Rahmen des sogenannten Sozialpartnermodells konnten ausschließlich Tarifparteien im Rahmen tariflicher Regelungen betriebliche Altersversorgung mittels reiner Beitragszusagen ermöglichen.
Dies geschah, weil damit der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Mitgliedschaft bei den Tarifpartnern (Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften) stärken wollte, um dem langjährig bestehenden Mitgliederschwund Einhalt zu gebieten.
Betriebsrentenstärkungsgesetz – Neuerungen
Um die betriebliche Altersversorgung weiter zu stärken, werden die Regelungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) weiterentwickelt. Mit dem Gesetz wird der rechtliche Rahmen für eine weiterhin grundsätzlich freiwillige betriebliche Altersversorgung (2. Säule der Altersversorgung) fortentwickelt. In den letzten Jahren deutlich gewordene Hindernisse für deren Verbreitung werden beseitigt und neue Anreize gesetzt, damit in möglichst vielen Unternehmen angemessene Betriebsrenten selbstverständlich und zum festen Bestandteil der Altersvorsorge der Beschäftigten werden. Die Schwerpunkte des Gesetzes sind dabei Verbesserungen im Arbeits-, Finanzaufsichts- und Steuerrecht. Insbesondere das Arbeitsrecht wird im Hinblick auf eine möglichst hohe Verbreitungswirkung angepasst.
Arbeitsrechtliche Neuerungen
Im Arbeitsrecht wird das 2018 eingeführte und auf einem Tarifvertrag beruhende Sozialpartnermodell weiterentwickelt. Die Möglichkeit, Opting-out-Systeme zur automatischen Entgeltumwandlung auf Betriebsebene einzuführen, wird erleichtert. Insbesondere werden neue Möglichkeiten eröffnet, damit auch nicht tarifgebundene und damit kleinere Unternehmen und deren Beschäftigte an dieser Form einfacher, effizienter und sicherer Betriebsrenten teilnehmen können. Hierzu sind spezifische Neuerungen geplant. So soll es den Arbeitsvertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein, nicht einschlägige tarifliche Regelungen eines Sozialpartnermodells einzelvertraglich zur Anwendung zu bringen. Eine solche Bezugnahme kommt etwa in Betracht, wenn ein einschlägiger und anwendbarer Tarifvertrag (z. B. ein Konzerntarifvertrag) dies ausdrücklich vorsieht. Darüber hinaus soll eine Anwendung möglich sein, wenn eine am Sozialpartnermodell beteiligte Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das in Rede stehende Arbeitsverhältnis organisatorisch zuständig ist. Erforderlich ist, dass die Sozialpartner dieser Anwendung zustimmen. Nach der Gesetzesbegründung sind keine zu hohen Anforderungen an diese Zustimmung zu stellen. Die das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien können Dritte an den Kosten, welche bei der Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells entstehen, angemessen beteiligen. Zukünftig sollen in der betrieblichen Altersversorgung auch Opting-out-Modelle auf Grundlage von Betriebs- oder Dienstvereinbarungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Diese Optionssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer automatisch an einer Entgeltumwandlung teilnehmen, sofern sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen. Wollen nicht tarifgebundene Arbeitgeber die Entgeltumwandlung im Rahmen eines Opting-out-Modells betreiben, erhöht sich nach der nunmehr beschlossenen Regelung der gesetzliche Arbeitgeberzuschuss von 15 auf 20 Prozent. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Unterscheidung zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern bleibt einer gerichtlichen Überprüfung vorbehalten.
Flexibilisierung der Betriebsrente
Bisher kann ein Beschäftigter vor Erreichen der Altersgrenze eine vorzeitige Betriebsrente erst dann verlangen, wenn er eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Geregelt ist dies in § 6 BetrAVG. Künftig soll schon dann ein Anspruch auf Zahlung einer vorzeitigen Betriebsrente – ggf. mit entsprechenden Abschlägen – bestehen, wenn eine Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Der vorzeitige Bezug von Betriebsrenten folgt dem seit dem 01.01.2023 bestehenden Hinzuverdienstrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Abfindungsrecht wird flexibler gestaltet. Die Grenze für die Abfindung von Bagatellanwartschaften soll erhöht werden. Sie soll verdoppelt werden auf zwei Prozent der Bezugsgröße gemäß § 18 Sozialgesetzbuch (SGB) IV bei laufenden Rentenzahlungen bzw. auf 24/10 bei Kapitalleistungen. Diese höheren Grenzen sollen jedoch nur gelten, wenn der versorgungsberechtigte Beschäftigte zustimmt und die Abfindung als Beitrag an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet wird.

Finanzaufsichtsrechtliche Neuerungen
Im Finanzaufsichtsrecht werden neue Impulse gesetzt, um die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung zu steigern. Den Pensionskassen wird vor dem Hintergrund des neuen Hinzuverdienstrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung gestattet, höhere Zahlungen bei vorzeitigem Leistungsbezug zu vereinbaren. Um nun höhere Renditen und folglich höhere Betriebsrenten bei Pensionskassen zu erzielen, werden die Anlagevorschriften erweitert und die Bedeckungsvorschriften flexibilisiert. Die Vermögensanlage kann dadurch stärker auf die Endfälligkeit der Leistung ausgerichtet werden, anstatt durchgängig eine Mindesthöhe zu gewährleisten. Für Sozialpartnermodelle werden die Möglichkeiten zur Pufferbildung verbessert, sodass Handlungsspielräume für offensivere Anlagestrategien geöffnet werden, ohne dass die Auszahlungen größeren Schwankungen unterliegen. Ebenso ist eine Abfindungsfiktion von Betriebsrentenanwartschaften im Falle der Auflösung einer Pensionskasse vorgesehen.
Steuerrechtliche Bestimmungen
Das zweite BRSG enthält eine besondere Förderung für Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen. Bisher profitierten Bruttoeinkommen von unter 2.575 Euro von einer zusätzlichen staatlichen Förderung, wenn ihnen der Arbeitgeber eine Betriebsrente zusagte.

Diese Einkommensgrenze wird durch das zweite BRSG erhöht und durch die Koppelung an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG-RV) mit drei Prozent dynamisiert. Damit würden 2025 Bruttoeinkommen bis 2.898 Euro zusätzlich gefördert werden.
Im Steuerrecht wird die Förderung der Betriebsrenten von Beschäftigten mit geringeren Einkommen über die Erhöhung des Förderbetrags zur betrieblichen Altersversorgung (bAVFörderbetrag) von bisher 288 Euro auf 360 Euro verbessert. Neben der Dynamisierung der Einkommensgrenze wird der Förderhöchstbetrag angehoben. So wird ein Herausfallen aus der Förderung im Zeitverlauf aufgrund normaler Lohn- und Gehaltszuwächse verhindert; Arbeitgeber erhalten Planungssicherheit für entsprechende Betriebsrentenzusagen.
Betriebsrente 5.0
Das sogenannte Sozialpartnermodell soll weiter ausgebaut werden. Mit dem Modell werden seit 2018 Betriebsrenten auf tarifvertraglicher Grundlage organisiert. Künftig sollen auch nicht tarifgebundene und damit häufig kleinere Unternehmen und ihre Beschäftigten an dieser Form einfacher und sicherer Tarifrenten teilnehmen können. Der Staat will Beschäftigte mit niedrigeren Einkommen besser unterstützen. Deshalb soll für mehr Planungssicherheit die Einkommensgrenze für den Förderbetrag monatlich angehoben und dynamisiert werden. So können Beschäftigte nicht durch Lohnerhöhungen aus der Förderung herausfallen. Im Finanzaufsichtsrecht werden neue Impulse gesetzt, um die betriebliche Altersversorgung attraktiver zu machen. Um höhere Renditen und damit höhere Betriebsrenten zu erzielen, bekommen beispielsweise Pensionskassen mehr Spielraum in ihrer Kapitalanlage. Die Auszahlung der Betriebsrente soll flexibler werden. Rentnerinnen und Rentner, die im Ruhestand weiterarbeiten, können ihre Betriebsrente auch mit einer Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kombinieren. Damit würde der Rechtsanspruch auf Entgeltersatzleistungen (Krankengeld, Kurzarbeitergeld etc.) weiterhin bestehen. Nicht zuletzt wird mit diesem Gesetz der fortschreitenden Digitalisierung insbesondere in Versicherung-unternehmen und beim Pensions-Sicherungs-Verein Rechnung getragen und es werden damit zugleich alle Beteiligten von unnötiger Bürokratie entlastet. Der Pensionssicherungsverein kann in Zukunft z. B. Beitragsbescheide ohne Sachbearbeitung automatisch erlassen und mit Leistungsberechtigten rechtssicher digital kommunizieren.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob die beschlossenen Änderungen zur stärkeren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und des Sozialpartnermodells führen werden. Es wird in diesem Zusammenhang stets über eine gesetzliche Pflicht zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung diskutiert. Hierbei könnte man sich am System der Zusatzversorgung für Angestellte im öffentlichen Dienst (ZVK) orientieren. Der Bundesrat bat in seiner Stellungnahme am 22.11.2024 um Prüfung, ob die Freibeträge zur Sozialversicherung an die Regelungen im Einkommensteuerrecht angeglichen und somit ebenfalls auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erhöht werden können. Dies würde die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge wirksam erhöhen und Bürokratie abbauen. Im Übrigen ist vorgesehen, dass 2028 das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) überprüfen wird, ob das mit dem zweite BRSG verbundene Ziel erreicht wurde und inwieweit dann weiterer Handlungsbedarf besteht.
Raschid Bouabba, MCGB GmbH