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Anlasslose Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Fristlose Kündigung rechtmäßig?

Die Kontrolle von Mitarbeitenden durch Videoüberwachung ist ein heikles Thema im Datenschutzrecht. Insbesondere die anlasslose Überwachung kann erhebliche Grundrechtseingriffe darstellen.

Lesezeit 3 Min.
An unsere geschätzten Fachkräfte in der Lohnbuchhaltung und im Personalmanagement: Eine Sicherheitskamera zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz überwacht die Lagerumgebung, in der Mitarbeiter in Warnwesten und Schutzhelmen aktiv arbeiten. Die automatische Erkennungsfunktion dieses fortschrittlichen Systems identifiziert zwei bestimmte Personen, wobei im Hintergrund die geordneten Regale mit Lagerbeständen sichtbar sind.
Foto: © stock.adobe.com/APchanel

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat mit Urteil vom 15. Februar 2024 (Az.: 3 Ca 625/23) entschieden, dass eine bewusste, anlasslose Videoüberwachung nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, sondern sogar eine fristlose Kündigung durch den betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigen kann. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber, die auf Videoüberwachung zur Kontrolle ihrer Mitarbeitenden setzen.

Einordnung des Urteils

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen reiht sich in die bisherige Rechtsprechung zum Arbeitnehmerdatenschutz ein, setzt aber gleichzeitig ein deutliches Signal: Arbeitgeber dürfen nicht ohne triftigen Grund und ohne wirksame Einwilligung eine Videoüberwachung einrichten. Besonders bedeutsam ist die Entscheidung deshalb, weil sie Arbeitnehmern das Recht zuspricht, ein Arbeitsverhältnis in solchen Fällen sofort zu beenden. Dies könnte dazu führen, dass betroffene Mitarbeitende künftig mutiger gegen unzulässige Überwachungsmaßnahmen vorgehen.

Der Sachverhalt

Ein Friseurbetrieb installierte im Mai 2023 eine Videokamera mit Bild- und Tonaufzeichnung im Kassenbereich des Salons. Die Aufnahmen wurden direkt auf das Mobiltelefon der Arbeitgeberin übertragen. Die Begründung lautete zunächst, dass vermehrt Diebstähle und Schutzgelderpressungen im Einzelhandel aufgetreten seien. Tatsächlich sollte jedoch überprüft werden, ob Mitarbeitende unzulässige Abrechnungen vornehmen.

Eine Arbeitnehmerin fühlte sich durch die permanente Überwachung stark belastet, was zu gesundheitlichen Problemen führte. Infolgedessen blieb sie mehrmals krankheitsbedingt der Arbeit fern. Das belastende Arbeitsklima verschärfte ihre Beschwerden, sodass sie am 15. August 2023 eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprach. Der Friseurbetrieb reichte daraufhin eine Feststellungsklage ein, um die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Nordhausen wies die Klage als unbegründet ab. Die zentralen Argumente des Gerichts lauteten:

  • Eine bewusste, anlasslose Videoüberwachung verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ist nicht mit der DSGVO und dem BDSG vereinbar.
  • Der von der Arbeitgeberin vorgebrachte Schutz vor Diebstahl war lediglich vorgeschoben; die tatsächliche Motivation war die Kontrolle der Mitarbeitenden.
  • Es lag keine Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden vor, sodass eine Rechtfertigung nach § 26 Abs. 2 BDSG ausgeschlossen war.
  • Die Videoüberwachung stellte einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, der eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigte.
  • Eine Abmahnung war entbehrlich, da die Arbeitgeberin die Überwachung bewusst und trotz fehlender Zustimmung fortgesetzt hatte.
  • Die zweiwöchige Kündigungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB wurde gewahrt, da es sich um einen Dauertatbestand handelte.

Konsequenzen für die Praxis

  • Dieses Urteil ist für Arbeitgeber von großer Bedeutung. Es zeigt, dass Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig ist sowie, dass eine anlasslose Kontrolle der Mitarbeitenden erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
  • Außerdem ist klar, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, eine solche Überwachung hinzunehmen und sogar das Recht haben, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.
  • Arbeitgeber, die unzulässige Videoüberwachungen einsetzen, müssen mit arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen.

Praxistipps

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen verdeutlicht einmal mehr, dass die Rechte der Beschäftigten im Datenschutz höchste Priorität haben. Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass unzulässige Überwachungsmaßnahmen nicht nur datenschutzrechtliche Folgen haben, sondern auch das Arbeitsverhältnis nachhaltig belasten und sogar eine fristlose Kündigung nach sich ziehen können. Unternehmen sollten daher präventiv handeln und datenschutzkonforme Alternativen in Erwägung ziehen, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Check-Box

Check-Box:

Prüfung der Erforderlichkeit: Vor der Installation von Videoüberwachung sollte geprüft werden, ob sie wirklich notwendig und verhältnismäßig ist.

Transparenz schaffen: Falls eine Videoüberwachung unumgänglich ist, muss sie den Mitarbeitenden klar kommuniziert und begründet werden.

Rechtliche Grundlagen beachten: Eine Einwilligung nach § 26 Abs. 2 BDSG oder eine Kollektivvereinbarung ist erforderlich.

Alternative Maßnahmen prüfen: Anstelle einer Dauerüberwachung sollten mildere Mittel wie stichprobenartige Kontrollen oder andere Sicherheitsmaßnahmen erwogen werden.

Rechtliche Beratung einholen: Vor der Implementierung von Überwachungstechniken sollten Arbeitgeber juristischen Rat einholen, um Datenschutzverstöße zu vermeiden.