Der Streit um die Betriebsratsvergütungen bei Volkswagen geht in die nächste Runde
Der jahrelange Rechtsstreit um die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen geht in eine neue Runde. Mit seinem Urteil vom 10.10.2024 (8 Sa 797/23) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen erneut Stellung zur Frage der Angemessenheit der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern bezogen. Die Thematik ist brisant, da sie nicht nur für die betroffenen Betriebsräte und das Unternehmen selbst, sondern auch für die generelle Praxis in der Vergütung von Betriebsräten in Deutschland wegweisend sein könnte.
Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, Urteil vom 10.10.2024 – 8 Sa 797/23
Verortung des Urteils
Das Urteil des LAG Niedersachsen ist Teil einer umfangreichen Rechtsprechungsentwicklung, die insbesondere durch die prominenten Verfahren gegen Volkswagen vorangetrieben wurde. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern an deren berufliche Qualifikation und Verantwortung im Vergleich zu anderen Unternehmenspositionen angepasst werden darf, ohne gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG zu verstoßen.
Relevante Vorentscheidungen
- Bundesarbeitsgericht (BAG), Entscheidung vom 29.09.2021 (7 ABR 22/20): Das BAG hatte bereits klargestellt, dass die Vergütung von Betriebsräten sich strikt an vergleichbaren Arbeitnehmerpositionen orientieren muss. Dabei sei sicherzustellen, dass keine unzulässige Begünstigung aufgrund der Betriebsratstätigkeit stattfindet. Diese Entscheidung setzte Maßstäbe und war eine klare Warnung an Unternehmen, Vergütungsanpassungen nicht als verdeckte Begünstigung zu nutzen.
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.01.2023 (6 StR 133/22): Ein entscheidender Impuls kam vom BGH, der im Januar 2023 erstmals strafrechtliche Konsequenzen für die überhöhte Vergütung von Betriebsratsmitgliedern gezogen hat. Im Fall Volkswagen wurden hochrangige Manager des Unternehmens wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt, da sie durch die unverhältnismäßig hohen Gehälter von Betriebsratsmitgliedern das Vermögen des Unternehmens geschädigt haben. Der BGH stellte in seinem Urteil klar, dass es sich bei überhöhten Zahlungen, die nicht durch eine betriebliche Notwendigkeit gerechtfertigt sind, um eine strafbare Handlung handeln kann.
Diese Entscheidung hat den Druck auf Unternehmen erheblich erhöht, die Vergütung von Betriebsräten streng an rechtlichen Vorgaben auszurichten. Das Urteil des BGH hat somit nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Bedeutung, da es zeigt, dass Verstöße gegen das Begünstigungsverbot nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden können.
Mit dem aktuellen Urteil des LAG Niedersachsen schließt sich nun eine weitere wichtige Instanz dieser Linie an und entwickelt die dort genannten Linien sogar fort.
Der Sachverhalt
Stavros Christidis, Betriebsratsvorsitzender von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), sah sich mit einer geplanten Gehaltskürzung von fast 2.000 Euro pro Monat konfrontiert. VW wollte ihn um sechs Entgeltstufen herabsetzen. Das Arbeitsgericht (ArbG) Hannover (Urteil vom 17.10.2023 – 12 Ca 272/23) entschied jedoch im Oktober 2023, dass Christidis nicht nur keine Kürzung hinnehmen muss, sondern sogar eine Gehaltserhöhung verdient.
Das Urteil
Diese Entscheidung wurde nun vom Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Urteil vom 10.10.2024 – 8 Sa 797/23) bestätigt. Das LAG Niedersachsen wies die Berufung von VW gegen das Urteil des ArbG Hannover zurück. Christidis, der seit rund 20 Jahren freigestellter Betriebsrat ist, soll eine Entgeltstufe höher eingestuft werden als vor der geplanten Kürzung.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
#KurzErklärt
- Auf die Betriebsratsvergütung ist weiterhin ein besonderes Augenmerk zu legen, da ein nicht unerhebliches, auch strafrechtlich relevantes Risiko besteht.
- Um Rechtsstreitigkeiten und strafrechtliche Risiken zu vermeiden, sollten Unternehmen ihre Vergütungspraktiken regelmäßig überprüfen und sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Eine transparente Kommunikation mit Betriebsräten über Vergütungsfragen ist essenziell, um Missverständnisse zu verhindern. Es kann auch sinnvoll sein, Schulungen für Mitarbeiter und Betriebsratsmitglieder anzubieten, um ein besseres Verständnis zu fördern.
- Auch die am 25.07.2024 neu in Kraft getretene gesetzliche Regelung zur Vergütung von Betriebsräten – die als Reaktion auf das BGH-Urteil und zur Beseitigung der dadurch entstandenen Unsicherheiten eingeführt worden ist – betont die Notwendigkeit, Vergütungsstrukturen regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, um sicherzustellen, dass sie fair und gesetzeskonform sind.
Praxistipp |
von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte