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KI im Arbeitsrecht : Chancen, Risiken und rechtliche Rahmenbedingungen

KI optimiert den Arbeitsalltag – etwa in der Personalverwaltung und im Recruiting – und bringt dabei auch komplexe rechtliche Herausforderungen in puncto Datenschutz und Mitbestimmungsrechte mit sich. Unternehmen müssen sich daher an die seit August 2024 geltende KI-Verordnung halten und entsprechende Maßnahmen wie interne Richtlinien, Schulungen und klare Compliance-Strategien umsetzen, um KI rechtskonform einzusetzen.

AllgemeinArbeitsrecht
Lesezeit 6 Min.
Eine rothaarige Fachkraft sitzt an einem Tisch, beschäftigt sich mit ihrem Laptop und diskutiert mit einem ihr gegenüberstehenden humanoiden Roboter über KI im Arbeitsrecht. Die gedämpfte Raumbeleuchtung und die unscharfe Hintergrundbeleuchtung verstärken die futuristische Atmosphäre und ziehen die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter in der Lohnbuchhaltung und im Personalmanagement auf sich.
Foto: © stock.adobe.com/mindscapephotos

KI im Arbeitsrecht – Chancen und Herausforderungen

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich als fester Bestandteil des modernen Arbeitsalltags etabliert. Ob in der Personalverwaltung, im Recruiting oder in der automatisierten Entscheidungsfindung – KI-Systeme können Prozesse optimieren, werfen jedoch zugleich erhebliche rechtliche Fragestellungen auf. Besonders im Arbeitsrecht stehen Unternehmen vor der Herausforderung, den Einsatz von KI rechtskonform zu gestalten. 

Datenschutz und KI

Soweit für Entwicklung und Anwendung des KI‑Systems nur Daten ohne Personenbezug verwendet werden, findet die DS‑GVO keine Anwendung. Anders ist dies bei KI-Systemen, die personenbezogene Daten verarbeiten. Diese unterliegen der DS-GVO und es sind insbesondere die Vorschriften zur Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und Datensicherheit zu beachten.

Daneben spielt auch die Datenhoheit eine Rolle. Unternehmen müssen verhindern, dass personenbezogene Daten unkontrolliert für das Training von KI-Systemen verwendet werden, da das Entfernen dieser Daten („Unlearning“) oft schwierig ist.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang Art. 22 Abs. 1 DS‑GVO. Danach hat eine Person das Recht, nicht einer ausschließlich auf automatisierter Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, welche ihr gegenüber eine rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Im arbeitsrechtlichen Kontext gilt dies etwa für den automatisierten Ausspruch einer Kündigung, für die automatisierte Ablehnung einer Bewerbung und nach umstrittener Auffassung auch für die automatisierte Ausübung des Weisungsrechtes, da auch die Weisung eine rechtliche Wirkung gegenüber dem Arbeitnehmer entfalten kann. 

Die neue KI-Verordnung: Was Unternehmen wissen müssen

In diesem Kontext spielt auch die KI-Verordnung eine Rolle. Die KI-Verordnung (Artificial Intelligence Act) ist am 1. August 2024 in Kraft getreten und sieht ein gestaffeltes Wirksamwerden ihrer Bestimmungen vor (Artikel 113 KI-VO). Die erste Stufe wurde am 2. Februar 2025 erreicht. Ab diesem Zeitpunkt gelten Kapitel I und II der Verordnung verbindlich:

  • Kapitel I bestimmt Zweck und Anwendungsbereich der KI-VO. Das KI-System als zentraler Regelungsgegenstand ist in Artikel 3 Nr. 1 KI-VO definiert. Jedes KI-System ist nach dem Grundgedanken der KI-VO einer Risikoklasse zuzuordnen. Die Risikoklasse bestimmt Inhalt und Ausmaß der konkreten Pflichten für Anbieter und Betreiber von KI-Systemen. Art. 4 KI-VO verpflichtet Anbieter und Betreiber von KI-Systemen sämtlicher Risikoklassen zur Herstellung von KI-Kompetenz.
  • Kapitel II beinhaltet in seinem einzigen Artikel 5 das Verbot bestimmter KI-Praktiken, von denen eine eindeutige Bedrohung ausgeht, weil sie z. B. täuschen oder bestimmte Merkmale von Personen gezielt zur Manipulation ausnutzen. 

Nach Artikel 4 KI-VO müssen Anbieter und Betreiber von KI-Systemen Maßnahmen zur Sicherstellung eines ausreichenden Maßes an KI-Kompetenz ergreifen. Dies umfasst:

  • Interne Richtlinien und Standards: Einheitliche unternehmensinterne Regeln fördern eine konsistente Nutzung von KI.
  • Fortbildung und Schulung: Regelmäßige Trainings gewährleisten den sicheren und verantwortungsbewussten Einsatz von KI.
  • Zertifizierungen: Offizielle Nachweise können als Qualitätsmerkmal für KI-Kompetenz dienen.
  • Betriebsinterne Anlaufstellen: Die Benennung von KI-Beauftragten erleichtert die Wissensvermittlung.
  • Freiwillige Verhaltenskodizes: Standards für den verantwortungsvollen Umgang mit KI können entwickelt und implementiert werden. 

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim KI-Einsatz

Der Einsatz von KI im Unternehmen berührt vielfach die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Insbesondere bei der Nutzung von KI-gestützten Personalmanagement- oder Kontrollsystemen kann ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bestehen.

Rechtsprechung zur Mitbestimmung bei ChatGPT

Aber auch zu der Frage der Mitbestimmung bei dem Einsatz von ChatGPT gibt es bereits Rechtsprechung, aus der jedoch hervorgeht, dass es – wie so oft – auf den Einzelfall ankommt. Das Arbeitsgericht Hamburg (16.01.2024 – 24 BVGa 1/24) hat hierzu bereits letztes Jahr entschieden. Dem Arbeitsgericht Hamburg lag folgender Fall zur Entscheidung vor: 

Fallbeschreibung: Einsatz von ChatGPT im Unternehmen

Der Betriebsrat verlangte im einstweiligen Rechtsschutz vom Arbeitgeber, dass er die Freischaltung von ChatGPT und Künstlicher Intelligenz (KI) zurücknimmt. Der Arbeitgeber, ein Unternehmen aus der Medizintechnik, stellte den Mitarbeitern generative KI als Arbeitsmittel unterstützend zur Verfügung. Der Arbeitgeber schaltete über den Webbrowser ChatGPT frei. Mitarbeiter konnten sich einen privaten Account anlegen und mussten, soweit Kosten anfallen, diese selbst tragen. Dienstliche Accounts des Arbeitgebers gab es nicht. Der Arbeitgeber veröffentlichte ein Handbuch und KI-Leitlinien. Der Arbeitgeber hatte keinen Zugriff auf die Mitarbeiterdaten aus ChatGPT. Insbesondere erhielt er keine Informationen darüber, ob und welche Mitarbeiter, wann, in welchem Zusammenhang und wie lange ChatGPT nutzen und welche Informationen sie gegenüber dem System preisgeben. Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber auf, ChatGPT zu sperren und eine Rahmen-KBV KI abzuschließen.

Argumentation des Betriebsrats

Der Betriebsrat argumentierte, der Arbeitgeber habe § 87 I Nr. 1 BetrVG grob verletzt, da den Mitarbeitern Nutzungsvorgaben, die das Ordnungsverhalten betreffen, gemacht wurden. Es bestehe zudem ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 6 BetrVG, wenn personenbezogene Informationen hinsichtlich der Nutzung von Künstlicher Intelligenz durch die Arbeitnehmer erfasst und verarbeitet werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass weitere personenbezogene Daten eingegeben werden. Der Betriebsrat dürfe seine Zustimmung zur Nutzung von KI berechtigterweise verweigern, wenn durch sie die Arbeitsschritte der Arbeitnehmer lückenlos überwacht werden könnten. Außerdem sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 7 BetrVG (Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften) gegeben, da die Nutzung der KI zu psychischen Belastungen der Arbeitnehmer führen könne.

Position des Arbeitgebers und des Arbeitsgerichts

Der Arbeitgeber und auch das Arbeitsgericht Hamburg sehen dies anders. Ein Mitbestimmungsrecht besteht – in der vorliegenden Konstellation – nicht. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben (Ordnungsverhalten). Mitbestimmungsfrei sind Maßnahmen, die das Arbeitsverhalten regeln. Das liegt vor, wenn der Arbeitgeber sein Weisungsrecht konkretisiert, wie mit Betriebsmitteln umzugehen ist. Demnach besteht kein Mitbestimmungsrecht, da Nutzungsvorgaben von ChatGPT.

Technische Überwachungsanforderungen

Auch hinsichtlich § 87 I Nr. 6 BetrVG verneinte das Arbeitsgericht Hamburg (zutreffend) ein Mitbestimmungsrecht. Die Überwachung muss – und hierauf wies das Arbeitsgericht ausdrücklich hin – durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Dies trifft auf ChatGPT zu, da der Hersteller Daten aufzeichnet.

Fehlender Überwachungsdruck und betriebliche Vereinbarungen

Dennoch fehlt es an dem Überwachungsdruck durch den Arbeitgeber: Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, dass der Arbeitgeber Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer erheben und aufzuzeichnen kann. Das trifft auf ChatGPT nicht zu, da das Tool nicht auf den Computern installiert wurde. Die Nutzung erfolgt über den Browser. Dass der Browser Daten aufzeichnet, führt ebenfalls nicht zu einem (weiteren) Mitbestimmungsrecht. In dem entschiedenen Fall hatten die Betriebsparteien eine Konzernbetriebsvereinbarung hierzu geschlossen.

Begrenzte Überwachung durch private Nutzung

Auch die objektive Überwachungseignung verneinte das Arbeitsgericht: Ausschlaggebend war hierfür, dass die Arbeitnehmer in dem entschiedenen Fall einen selbst angelegten privaten Account nutzen, auf den der Arbeitgeber keinen Zugriff hat. Ein Zugriff des Arbeitgebers auf Mitarbeiterdaten besteht damit nicht und der Arbeitgeber weiß nicht, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchen Anliegen ChatGPT genutzt hat. An dem Ergebnis ändert auch die Vorgabe, dass Arbeitsergebnisse, die mit KI entstanden sind, entsprechend von den Mitarbeitern zu kennzeichnen sind, nichts. Die Kennzeichnung und damit verbundene Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers, wer Chatbots einsetzt, erfolgt durch den Arbeitnehmer.

Keine zusätzlichen Mitbestimmungsansprüche

Aus § 87 I Nr. 7 BetrVG konnte ebenfalls kein Mitbestimmungsrecht hergeleitet werden. Allerdings wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass die Informations- und Konsultationsrechte gemäß § 90 I 3, II BetrVG, in denen ausdrücklich künstliche Intelligenz erwähnt wird, gewahrt werden müssen. Da es sich aus § 90 BetrVG keine Mitbestimmungsrechte bestehen, führt eine etwaige Verletzung nicht zu einem Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch.

Handlungsbedarf für Unternehmen: Was jetzt zu tun ist

Handlungsbedarf für Unternehmen: Was jetzt zu tun ist

Der Einsatz von KI im Arbeitsrecht bietet zahlreiche Chancen, wirft aber zugleich erhebliche rechtliche Herausforderungen auf. Unternehmen müssen sich nicht nur mit datenschutzrechtlichen Fragen und der neuen KI-Verordnung auseinandersetzen, sondern auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten. Eine durchdachte Strategie und klare Compliance-Maßnahmen sind essenziell, um die Potenziale der KI sicher und rechtskonform zu nutzen.

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