Remote Work, Workation & Co. : Die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit mobiler Arbeit aus dem Ausland
Nie war das Arbeitsrecht schnelllebiger als in den letzten zwei Jahren. Die Corona-Pandemie war ein Booster in vielerlei Hinsicht. Neue Formen der Zusammenarbeit wurden entwickelt, erprobt und verbessert. So auch in Bezug auf die Etablierung von mobilem Arbeiten. Der Arbeitsort spielt dabei – soweit es die Tätigkeit zulässt – immer weniger eine Rolle. Wieso also an der Landesgrenze Halt machen?

Sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter nutzen diese räumlich gewonnene Flexibilität. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass das Recruiting nicht auf Deutschland beschränkt sein muss, sondern die während der Pandemie gewonnenen Erkenntnisse zu mobiler Arbeit genutzt werden können. Auch tauchen neue Formen der Intensivierung auf und Arbeitgeber versuchen, die Arbeitsbedingungen so flexibel wie möglich zu gestalten. Neben den arbeitgeberseitigen Motiven spielen auch die Interessen der Mitarbeiter und die Erwartungshaltung an die Flexibilität der Arbeitgeber für eine Tätigkeit aus dem Ausland eine große Rolle.
Arbeiten aus dem Ausland birgt jedoch zahlreiche rechtliche Risiken für Unternehmen. Soweit mobiles Arbeiten aus dem Ausland zu der Post-Covid-Strategie von Unternehmen gehört, sind Arbeitgeber gut beraten, die damit einhergehenden, komplexen Fragestellungen (Meldevorschriften, Arbeitserlaubnis, ggf. Visum, arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Auswirkungen etc.) im Blick zu behalten und die Risiken entsprechend abklären lassen. Was Unternehmen aus Compliance-Sicht zu beachten haben, erklärt Dr. Michaela Felisiak nachfolgend.
Können Mitarbeiter entscheiden, von wo sie arbeiten wollen?
Ganz klar nein, soweit es keine explizite vertragliche oder kollektivrechtliche Regelung hierzu gibt. Zwar gehen Unternehmen aktuell dazu über, immer mehr Regelungen zu mobiler Arbeit zu etablieren – die weitverbreiteten Lockerungen während der Pandemie ändern jedoch im Grundsatz nichts an dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Mitarbeiter haben nach derzeitiger gesetzlicher Lage keinen Anspruch auf eine Homeoffice-Tätigkeit. Erst recht nicht aus dem Ausland. Die vorübergehend geltende Regelung des Infektionsschutzgesetzes (§ 28 b Abs. 4 IfSG a. F.), wonach Arbeitgeber verpflichtet waren, „den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“, ist mit Ablauf des 19.03.2022 außer Kraft getreten. Bestehende Homeoffice-Regelungen können daher nur einvernehmlich fortgeführt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn Mitarbeiter aus dem Ausland arbeiten wollen.
Welche rechtlichen Herausforderungen gibt es bei einer Tätigkeit aus dem Ausland?
Arbeiten aus dem Ausland (auch englisch „Cross-Border Remote Work“ genannt) kann diverse rechtliche Risiken mit sich bringen. Das größte Schreckgespenst für Unternehmen ist in diesem Zusammenhang das Damoklesschwert des Steuerrechts; Stichwort: Betriebsstätte. Soweit die Tätigkeit der Mitarbeiter von überall aus der Welt ausgeübt werden kann, besteht für Unternehmen das Risiko der unbeabsichtigten Begründung einer Betriebsstätte im Ausland. Auch kann eine Auslandstätigkeit unter Umständen eine Lohnsteuerpflicht im Ausland verursachen.
Neben den steuerlichen Risiken spielen aber auch arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und unter Umständen einwanderungsrechtliche Themen eine Rolle. Allein die Bandbreite der arbeitsrechtlichen Fragestellungen ist groß und reicht von spezifischen Regelungen zur Entsendung über Gehaltsanforderungen und Arbeitszeitregelungen bis hin zum Arbeitsschutz. Auch können datenschutzrechtliche Themen und sogar Lizenzthemen bei einer Tätigkeit aus dem Ausland relevant werden. Nicht nur die Fülle der tangierten Rechtsgebiete ist in der Praxis von Unternehmen schwierig zu managen, sondern auch die Tatsache, dass sich die rechtlichen Themen nicht pauschal greifen lassen. Es gibt leider keine einheitlichen Regelungen. Wollen Unternehmen jegliches Risiko ausschließen, empfiehlt es sich, Fallgruppen zu bilden und die Risiken der einzelnen Länder zu analysieren. Hierbei spielen auch die genauen Umstände der Auslandstätigkeit (z. B. von welchem Land die Tätigkeit ausgeübt werden soll und für welche Dauer) eine Rolle.
Macht es für die genannten Risiken einen Unterschied, welcher Mitarbeiter aus dem Ausland arbeitet?

Sowohl mit Blick auf die Regelungen zu Entsendungen (d. h., wenn Mitarbeiter auf Anweisung ihres Arbeitgebers in ein anderes Land reisen, um Aufgaben des deutschen Arbeitgebers zu erfüllen) als auch mit Blick auf die steuerlichen Themen kommt es darauf an, um welchen Mitarbeiter (Facharbeiter, Teamleiter, Vorgesetzter oder Geschäftsführer) es sich handelt und welche Tätigkeit im Ausland ausgeübt wird.
Mit den Regelungen zur Entsendung sind vor allem die Meldepflichten gemeint, die es mittlerweile in fast allen Ländern der EU gibt und die Unternehmen vor einer Auslandstätigkeit beachten müssen. Andernfalls drohen zum Teil erhebliche Sanktionen. Bevor Unternehmen eine mobile Tätigkeit gestatten, wäre daher zu klären, ob hierfür lokale Meldepflichten in dem jeweiligen EU-Land gelten. Dies kann z. B. davon abhängen, ob es sich um einen Vertriebsmitarbeiter handelt, der auf dem ausländischen Markt auftritt und aktiv tätig wird, oder ob es sich um einen IT-Spezialisten handelt, der statt von seinem heimischen Homeoffice von der spanischen Finca ausarbeitet.
Auch bezüglich des Risikos der Begründung einer Betriebsstätte kann es einen Unterschied machen, ob ein Geschäftsführer oder ein Fachmitarbeiter aus dem Ausland für den deutschen Arbeitgeber arbeitet.
Wie lässt sich eine Auslandstätigkeit von Unternehmen überhaupt managen?
Unternehmen, die keine rechtlichen Risiken eingehen wollen, könnten auf einzelne Serviceanbieter zurückgreifen. Die Scheu vor dem hohen Aufwand, den eine Analyse der länderspezifischen Regelungen mit sich bringt und die Angst vor rechtlichen Unsicherheiten bei einer Auslandstätigkeit haben diverse Dienstleister zur Grundlage ihres Geschäftsmodells gemacht. Diese haben scheinbar passgenaue Lösungen für Unternehmen und suggerieren, dass eine mobile Tätigkeit aus dem Ausland unproblematisch ist. Soweit Unternehmen auf solch einen Anbieter zurückgreifen, sollten sie aber genau hinsehen und prüfen, ob tatsächlich alle rechtlichen Themen (Steuer, Sozialversicherung, Arbeitsrecht, Einwanderungsrecht etc.) bedacht werden.
Wollen Unternehmen selbst eine Auslandstätigkeit managen, sollten Fallkonstellationen geclustert werden. Viele Unternehmen bilden hierfür verschiedene Kategorien und differenzieren z. B. nach dem Zielland (innerhalb oder außerhalb der EU) und der gewünschten Dauer der Auslandstätigkeit.
Gerade der letzte Aspekt, die Dauer, spielt eine maßgebliche Rolle: Möchte das Unternehmen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, dauerhaft aus dem Ausland zu arbeiten, um selbst Fachkräfte im Ausland anzustellen, ist dies ein anderer Fall, als wenn Mitarbeiter ihren Urlaub verlängern möchten (Stichwort: Workation = Zusammensetzung aus „Work“ und „Vacation“).
Im Zusammenhang mit einer Auslandstätigkeit von Mitarbeitern fällt immer wieder der Begriff „EOR“. Was ist ein „EOR“?
Ein „EOR“ ist eine englische Bezeichnung und meint „Employer of Record“. Es handelt sich um einen Arbeitgeber „auf dem Papier“, der den Mitarbeiter im Ausland in der Regel anstellt und die formalen länderspezifischen Regelungen (z. B. bzgl. Steuern und Sozialversicherung) beachtet und entsprechend abwickelt, dem betreffenden Mitarbeiter aber keine Arbeitsaufträge gibt oder Tätigkeiten zuweist. Der Mitarbeiter arbeitet vielmehr „remote“ für den Kunden des „EOR“, beispielsweise ein deutsches Unternehmen. Dies ist für Unternehmen interessant, die auf Dauer einen Mitarbeiter im Ausland einstellen wollen, ohne in dem betreffenden Land eine rechtliche Einheit zu gründen.
„EORs“ bieten den Kunden (deutsches Unternehmen) unterschiedliche Serviceleistungen an, um deren administrativen Aufwand möglichst gering zu halten. Aber Vorsicht! In diesem Fall handelt es sich oft um eine klassische Arbeitnehmerüberlassung. Jedenfalls dann, wenn der „EOR“ den im Ausland sitzenden Mitarbeiter anstellt und seinem Kunden gegenüber als Verleiher tätig wird.
Bestehen trotz der Einschaltung eines „EOR“ rechtliche Risiken?
Da es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt, benötigt der „EOR“ unter Umständen eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, die er im Zweifel nicht hat. Soweit eine solche rechtlich notwendig ist, ergeben sich für das deutsche Unternehmen unterschiedliche Risiken – unter anderem drohen dem „EOR“ und dem deutschen Kunden jeweils für die Überlassung bzw. das Tätigwerdenlassen der Mitarbeiter Geldbußen bis zu 30.000 Euro.
Die maßgebliche Frage ist jedoch, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) hier überhaupt Anwendung findet. Grundsätzlich gilt für das AÜG das Territorialitätsprinzip, so dass eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eigentlich nur erforderlich ist, wenn Mitarbeiter zur Arbeitsleistung in bzw. nach Deutschland überlassen werden. Der Fall, dass deutsche Unternehmen einen ausschließlich im Ausland tätigen Mitarbeiter über einen „EOR“ beschäftigen, ist von dem Geltungsbereich nicht erfasst. Dies ergibt sich auch aus der aktuellen Fassung der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG.
Rechtssicherheit besteht dennoch nicht! Die Bundesagenturen für Arbeit vertreten teilweise in Bezug auf die Konstellation des auf Dauer vom Ausland aus tätigen Mitarbeiters, der über einen „EOR“ angestellt ist, die Auffassung, dass derartige Fälle bislang nicht bedacht wurden und dass das AÜG wegen des Schutzzweckes auch dann Anwendung findet, wenn Tätigkeiten im Ausland für deutsche Unternehmen erbracht werden und es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind, sondern von überall (remote) erledigt werden können. Ob dies tatsächlich der Fall ist, werden künftig die Gerichte entscheiden. Dennoch besteht in diesen Konstellationen ein hohes – oft nicht gesehenes – Risiko für deutsche Unternehmen. Das diesbezügliche Entdeckungsrisiko mag gering sein, soweit der Mitarbeiter nicht darauf aufmerksam macht. Dennoch sollten sich Unternehmen des Risikos bewusst sein.
Was gilt, wenn der Auslandseinsatz nicht auf Dauer, sondern zeitlich begrenzt erfolgt. Ist die Gestaltung von „Workation“ rechtlich sicherer?
„Workation“ ist vermutlich zurzeit der Trend, der auf das pandemiebedingte Homeoffice folgt. Unternehmen stehen diesbezüglich oft unter einem gewissen Marktdruck und wollen dem aktuellen Trend, Mitarbeiteranreize durch die Gewährung von „Workation“ zu setzen, folgen. Bei „Workation“ geht es um die verlockende Vorstellung, Urlaub und Arbeit zu verbinden und beispielsweise den Sommer in einer schönen spanischen Finca zu verbringen, um nach zwei Wochen Urlaub vier weitere Wochen von dort zu arbeiten. „Workation“ ist also quasi eine Art Homeoffice aus dem Ausland und in diesem Fall besteht – so weit keine Anstellung der Mitarbeiter bei einem Dritten erfolgt – kein AÜG-Risiko. Trotzdem existieren die eingangs genannter Risiken, wie die unbeabsichtigte Begründung einer Betriebsstätte, die Missachtung etwaiger entsenderechtlicher Meldungen oder die fehlende Einhaltung arbeitsrechtlicher Gesetze.
Um die Risiken in den Griff zu bekommen, macht es auch hier Sinn, die schon angesprochenen Fallgruppen zu bilden. Zudem empfiehlt es sich, klare Regelungen für die Zeit der „Workation“ festzulegen. Dies gilt z. B. für die Dauer der Workation und das Zielland. Anders lassen sich die steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Risiken kaum fassen. Zudem sollten Unternehmen bei der Einführung entsprechender Regelungen an die Gleichbehandlung der Mitarbeiter denken. Allgemeingültige Richtlinien können hier helfen.
Was ist Unternehmen derzeit zu raten?

Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Frage, ob sie eine Tätigkeit aus dem Ausland überhaupt zulassen, wollen oder nicht. In vielen betrieblichen Regelungen zur mobilen Arbeit wurden Auslandstätigkeiten bis jetzt ausgeschlossen. Dennoch warden Unternehmen mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Die Überlegungen der Unternehmen reichen dabei von „Remote Work nicht zu erlauben“ über „eine Definition von groben Leitlinien“ bis hin zu der Ausarbeitung von „Policies mit gewissen Einschränkungen“.
Es macht definitiv Sinn, in einem ersten Schritt die Länder zu identifizieren, bei denen eine Auslandstätigkeit mit einem geringen Risiko bezüglich Steuern, Sozialversicherung, Einwanderungsregelungen und Arbeitsrecht verbunden ist. Alle anderen Länder könnten als Zielland für eine Auslandstätigkeit erst einmal ausgeschlossen werden. Wichtig sind weiter eine klare Kommunikation und das Aufsetzen eines Trackingsystems. Der Einsatz von Tools ist hierbei möglich, aber nicht zwingend notwendig.
Wichtig ist, zu wissen, dass es ganz unterschiedliche Fallkonstellationen von mobiler Arbeit aus dem Ausland gibt. Grundsätzlich ist schon viel gewonnen, wenn Unternehmen sich dessen und der damit einhergehenden Risiken bewusst sind und Dienstleistern in diesem Bereich nicht blind vertrauen.
Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten