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Remote Work, Workation & Co. : Die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit mobiler Arbeit aus dem Ausland

Nie war das Arbeitsrecht schnelllebiger als in den letzten zwei Jahren. Die Corona-Pandemie war ein Booster in vielerlei Hinsicht. Neue Formen der Zusammenarbeit wurden entwickelt, erprobt und verbessert. So auch in Bezug auf die Etablierung von mobilem Arbeiten. Der Arbeitsort spielt dabei – soweit es die Tätigkeit zulässt – immer weniger eine Rolle. Wieso also an der Landesgrenze Halt machen?

Lesezeit 10 Min.
Junge Frau lächelt und hält einen kleinen Globus in der Hand, während sie mit männlichen Kollegen in einem ungezwungenen Büro oder Personalmanagement-Klassenzimmer sitzt.

Sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter nutzen diese räum­lich gewonnene Flexibilität. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass das Recruiting nicht auf Deutsch­land beschränkt sein muss, sondern die während der Pandemie gewonne­nen Erkenntnisse zu mobiler Arbeit genutzt werden können. Auch tau­chen neue Formen der Intensivie­rung auf und Arbeitgeber versuchen, die Arbeitsbedingungen so flexibel wie möglich zu gestalten. Neben den arbeitgeberseitigen Motiven spielen auch die Interessen der Mitarbeiter und die Erwartungshaltung an die Fle­xibilität der Arbeitgeber für eine Tätig­keit aus dem Ausland eine große Rolle.

Arbeiten aus dem Ausland birgt jedoch zahlreiche rechtliche Risiken für Unter­nehmen. Soweit mobiles Arbeiten aus dem Ausland zu der Post-Covid-Stra­tegie von Unternehmen gehört, sind Arbeitgeber gut beraten, die damit einhergehenden, komplexen Frage­stellungen (Meldevorschriften, Arbeits­erlaubnis, ggf. Visum, arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Auswirkungen etc.) im Blick zu behalten und die Risi­ken entsprechend abklären lassen. Was Unternehmen aus Compliance-Sicht zu beachten haben, erklärt Dr. Michaela Felisiak nachfolgend.

Können Mitarbeiter entscheiden, von wo sie arbeiten wollen?

Ganz klar nein, soweit es keine expli­zite vertragliche oder kollektivrechtli­che Regelung hierzu gibt. Zwar gehen Unternehmen aktuell dazu über, immer mehr Regelungen zu mobi­ler Arbeit zu etablieren – die weitver­breiteten Lockerungen während der Pandemie ändern jedoch im Grund­satz nichts an dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.

Mitarbeiter haben nach derzeitiger gesetzlicher Lage keinen Anspruch auf eine Homeoffice-Tätigkeit. Erst recht nicht aus dem Ausland. Die vorüber­gehend geltende Regelung des Infek­tionsschutzgesetzes (§ 28 b Abs. 4 IfSG a. F.), wonach Arbeitgeber verpflich­tet waren, „den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkei­ten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbe­dingten Gründe entgegenstehen“, ist mit Ablauf des 19.03.2022 außer Kraft getreten. Bestehende Homeoffice-Re­gelungen können daher nur einver­nehmlich fortgeführt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn Mitarbeiter aus dem Ausland arbeiten wollen.

Welche rechtlichen Herausfor­derungen gibt es bei einer Tätigkeit aus dem Ausland?

Arbeiten aus dem Ausland (auch eng­lisch „Cross-Border Remote Work“ genannt) kann diverse rechtliche Risi­ken mit sich bringen. Das größte Schreckgespenst für Unter­nehmen ist in diesem Zusammenhang das Damoklesschwert des Steuer­rechts; Stichwort: Betriebsstätte. Soweit die Tätigkeit der Mitarbei­ter von überall aus der Welt ausgeübt werden kann, besteht für Unterneh­men das Risiko der unbeabsichtigten Begründung einer Betriebsstätte im Ausland. Auch kann eine Auslandstä­tigkeit unter Umständen eine Lohn­steuerpflicht im Ausland verursachen.

Neben den steuerlichen Risiken spie­len aber auch arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und unter Umständen einwanderungsrechtliche Themen eine Rolle. Allein die Band­breite der arbeitsrechtlichen Frage­stellungen ist groß und reicht von spezifischen Regelungen zur Entsen­dung über Gehaltsanforderungen und Arbeitszeitregelungen bis hin zum Arbeitsschutz. Auch können daten­schutzrechtliche Themen und sogar Lizenzthemen bei einer Tätigkeit aus dem Ausland relevant werden. Nicht nur die Fülle der tangierten Rechtsge­biete ist in der Praxis von Unterneh­men schwierig zu managen, sondern auch die Tatsache, dass sich die recht­lichen Themen nicht pauschal greifen lassen. Es gibt leider keine einheitli­chen Regelungen. Wollen Unterneh­men jegliches Risiko ausschließen, empfiehlt es sich, Fallgruppen zu bil­den und die Risiken der einzelnen Länder zu analysieren. Hierbei spielen auch die genauen Umstände der Aus­landstätigkeit (z. B. von welchem Land die Tätigkeit ausgeübt werden soll und für welche Dauer) eine Rolle.

Macht es für die genannten Risiken einen Unterschied, welcher Mitarbeiter aus dem Ausland arbeitet?

Remote Work, Workation u. Co. 2
Remote Work, Workation u. Co. 2

Sowohl mit Blick auf die Regelungen zu Entsendungen (d. h., wenn Mitar­beiter auf Anweisung ihres Arbeitge­bers in ein anderes Land reisen, um Aufgaben des deutschen Arbeitgebers zu erfüllen) als auch mit Blick auf die steuerlichen Themen kommt es dar­auf an, um welchen Mitarbeiter (Fach­arbeiter, Teamleiter, Vorgesetzter oder Geschäftsführer) es sich handelt und welche Tätigkeit im Ausland ausgeübt wird.

Mit den Regelungen zur Entsen­dung sind vor allem die Meldepflich­ten gemeint, die es mittlerweile in fast allen Ländern der EU gibt und die Unternehmen vor einer Auslandstä­tigkeit beachten müssen. Andernfalls drohen zum Teil erhebliche Sanktio­nen. Bevor Unternehmen eine mobile Tätigkeit gestatten, wäre daher zu klären, ob hierfür lokale Meldepflich­ten in dem jeweiligen EU-Land gel­ten. Dies kann z. B. davon abhängen, ob es sich um einen Vertriebsmitar­beiter handelt, der auf dem ausländi­schen Markt auftritt und aktiv tätig wird, oder ob es sich um einen IT-Spe­zialisten handelt, der statt von seinem heimischen Homeoffice von der spani­schen Finca ausarbeitet.

Auch bezüglich des Risikos der Begründung einer Betriebsstätte kann es einen Unterschied machen, ob ein Geschäftsführer oder ein Fachmitar­beiter aus dem Ausland für den deut­schen Arbeitgeber arbeitet.

Wie lässt sich eine Auslandstätigkeit von Unternehmen überhaupt managen?

Unternehmen, die keine rechtli­chen Risiken eingehen wollen, könn­ten auf einzelne Serviceanbieter zurückgreifen. Die Scheu vor dem hohen Aufwand, den eine Analyse der länderspezifischen Regelun­gen mit sich bringt und die Angst vor rechtlichen Unsicherheiten bei einer Auslandstätigkeit haben diverse Dienstleister zur Grundlage ihres Geschäftsmodells gemacht. Diese haben scheinbar passgenaue Lösun­gen für Unternehmen und suggerie­ren, dass eine mobile Tätigkeit aus dem Ausland unproblematisch ist. Soweit Unternehmen auf solch einen Anbieter zurückgreifen, sollten sie aber genau hinsehen und prüfen, ob tatsächlich alle rechtlichen Themen (Steuer, Sozialversicherung, Arbeits­recht, Einwanderungsrecht etc.) bedacht werden.

Wollen Unternehmen selbst eine Auslandstätigkeit managen, sollten Fallkonstellationen geclustert wer­den. Viele Unternehmen bilden hier­für verschiedene Kategorien und differenzieren z. B. nach dem Ziel­land (innerhalb oder außerhalb der EU) und der gewünschten Dauer der Auslandstätigkeit.

Gerade der letzte Aspekt, die Dauer, spielt eine maßgebliche Rolle: Möchte das Unternehmen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, dauerhaft aus dem Ausland zu arbeiten, um selbst Fach­kräfte im Ausland anzustellen, ist dies ein anderer Fall, als wenn Mit­arbeiter ihren Urlaub verlängern möchten (Stichwort: Workation = Zusammensetzung aus „Work“ und „Vacation“).

Im Zusammenhang mit einer Auslandstätigkeit von Mitar­beitern fällt immer wieder der Begriff „EOR“. Was ist ein „EOR“?

Ein „EOR“ ist eine englische Bezeich­nung und meint „Employer of Record“. Es handelt sich um einen Arbeitge­ber „auf dem Papier“, der den Mit­arbeiter im Ausland in der Regel anstellt und die formalen länderspe­zifischen Regelungen (z. B. bzgl. Steu­ern und Sozialversicherung) beachtet und entsprechend abwickelt, dem betreffenden Mitarbeiter aber keine Arbeitsaufträge gibt oder Tätigkeiten zuweist. Der Mitarbeiter arbeitet viel­mehr „remote“ für den Kunden des „EOR“, beispielsweise ein deutsches Unternehmen. Dies ist für Unter­nehmen interessant, die auf Dauer einen Mitarbeiter im Ausland einstel­len wollen, ohne in dem betreffen­den Land eine rechtliche Einheit zu gründen.

„EORs“ bieten den Kunden (deutsches Unternehmen) unterschiedliche Ser­viceleistungen an, um deren adminis­trativen Aufwand möglichst gering zu halten. Aber Vorsicht! In diesem Fall handelt es sich oft um eine klassische Arbeitnehmerüberlassung. Jedenfalls dann, wenn der „EOR“ den im Ausland sitzenden Mitarbeiter anstellt und sei­nem Kunden gegenüber als Verleiher tätig wird.

Bestehen trotz der Einschal­tung eines „EOR“ rechtliche Risiken?

Da es sich um eine Arbeitnehmer­überlassung handelt, benötigt der „EOR“ unter Umständen eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaub­nis, die er im Zweifel nicht hat. Soweit eine solche rechtlich notwendig ist, ergeben sich für das deutsche Unter­nehmen unterschiedliche Risiken – unter anderem drohen dem „EOR“ und dem deutschen Kunden jeweils für die Überlassung bzw. das Tätigwerdenlas­sen der Mitarbeiter Geldbußen bis zu 30.000 Euro.

Die maßgebliche Frage ist jedoch, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlas­sungsgesetz (AÜG) hier überhaupt Anwendung findet. Grundsätzlich gilt für das AÜG das Territorialitäts­prinzip, so dass eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eigentlich nur erforderlich ist, wenn Mitarbeiter zur Arbeitsleistung in bzw. nach Deutsch­land überlassen werden. Der Fall, dass deutsche Unternehmen einen aus­schließlich im Ausland tätigen Mitar­beiter über einen „EOR“ beschäftigen, ist von dem Geltungsbereich nicht erfasst. Dies ergibt sich auch aus der aktuellen Fassung der Fachlichen Wei­sungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG.

Rechtssicherheit besteht dennoch nicht! Die Bundesagenturen für Arbeit vertreten teilweise in Bezug auf die Konstellation des auf Dauer vom Aus­land aus tätigen Mitarbeiters, der über einen „EOR“ angestellt ist, die Auf­fassung, dass derartige Fälle bislang nicht bedacht wurden und dass das AÜG wegen des Schutzzweckes auch dann Anwendung findet, wenn Tätig­keiten im Ausland für deutsche Unter­nehmen erbracht werden und es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind, sondern von überall (remote) erle­digt werden können. Ob dies tatsäch­lich der Fall ist, werden künftig die Gerichte entscheiden. Dennoch besteht in diesen Konstellationen ein hohes – oft nicht gesehenes – Risiko für deut­sche Unternehmen. Das diesbezügliche Entdeckungsrisiko mag gering sein, soweit der Mitarbeiter nicht darauf aufmerksam macht. Dennoch soll­ten sich Unternehmen des Risikos bewusst sein.

Was gilt, wenn der Auslandseinsatz nicht auf Dauer, son­dern zeitlich begrenzt erfolgt. Ist die Gestaltung von „Worka­tion“ rechtlich sicherer?

„Workation“ ist vermutlich zurzeit der Trend, der auf das pandemiebedingte Homeoffice folgt. Unternehmen ste­hen diesbezüglich oft unter einem gewissen Marktdruck und wollen dem aktuellen Trend, Mitarbeiteranreize durch die Gewährung von „Workation“ zu setzen, folgen. Bei „Workation“ geht es um die verlo­ckende Vorstellung, Urlaub und Arbeit zu verbinden und beispielsweise den Sommer in einer schönen spanischen Finca zu verbringen, um nach zwei Wochen Urlaub vier weitere Wochen von dort zu arbeiten. „Workation“ ist also quasi eine Art Homeoffice aus dem Ausland und in diesem Fall besteht – so weit keine Anstellung der Mitarbeiter bei einem Dritten erfolgt – kein AÜG-Risiko. Trotzdem existieren die eingangs genannter Risiken, wie die unbeabsichtigte Begründung einer Betriebsstätte, die Missachtung etwa­iger entsenderechtlicher Meldungen oder die fehlende Einhaltung arbeits­rechtlicher Gesetze.

Um die Risiken in den Griff zu bekom­men, macht es auch hier Sinn, die schon angesprochenen Fallgruppen zu bilden. Zudem empfiehlt es sich, klare Regelungen für die Zeit der „Worka­tion“ festzulegen. Dies gilt z. B. für die Dauer der Workation und das Zielland. Anders lassen sich die steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Risiken kaum fas­sen. Zudem sollten Unternehmen bei der Einführung entsprechender Rege­lungen an die Gleichbehandlung der Mitarbeiter denken. Allgemeingültige Richtlinien können hier helfen.

Was ist Unternehmen derzeit zu raten?

Remote Work, Workation u. Co. 3
Remote Work, Workation u. Co. 3

Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Frage, ob sie eine Tätigkeit aus dem Ausland überhaupt zulassen, wol­len oder nicht. In vielen betrieblichen Regelungen zur mobilen Arbeit wur­den Auslandstätigkeiten bis jetzt ausgeschlossen. Dennoch warden Unternehmen mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Die Über­legungen der Unternehmen reichen dabei von „Remote Work nicht zu erlauben“ über „eine Definition von groben Leitlinien“ bis hin zu der Aus­arbeitung von „Policies mit gewissen Einschränkungen“.

Es macht definitiv Sinn, in einem ers­ten Schritt die Länder zu identifizie­ren, bei denen eine Auslandstätigkeit mit einem geringen Risiko bezüglich Steuern, Sozialversicherung, Einwan­derungsregelungen und Arbeitsrecht verbunden ist. Alle anderen Länder könnten als Zielland für eine Ausland­stätigkeit erst einmal ausgeschlos­sen werden. Wichtig sind weiter eine klare Kommunikation und das Aufset­zen eines Trackingsystems. Der Ein­satz von Tools ist hierbei möglich, aber nicht zwingend notwendig.

Wichtig ist, zu wissen, dass es ganz unterschiedliche Fallkonstellatio­nen von mobiler Arbeit aus dem Aus­land gibt. Grundsätzlich ist schon viel gewonnen, wenn Unternehmen sich dessen und der damit einhergehenden Risiken bewusst sind und Dienstleis­tern in diesem Bereich nicht blind ver­trauen.

Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten

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