Offener Brief : Jetzt ist Schluss!
Liebe Leserin, lieber Leser, die Wirtschaftsweisen, die Bundesregierung und einige andere Experten sagen für das kommende Jahr ein nur sehr geringes Wachstum oder sogar ein negatives Wachstum (was für ein komisches Wort!) voraus. Ich gebe zu, ich bin schuld daran – zumindest zu einem Teil. Denn ich beende mein Arbeitsleben und gehe in Rente.
Vom Generationenwechsel zur Fachkräftelücke: Warum mein Abschied für das Unternehmen eine Herausforderung ist
Früher sprach man davon, dass die älteren möglichst frühzeitig gehen sollten, um Platz für den aufstrebenden Nachwuchs zu schaffen. Das gilt heute nicht mehr, denn es fehlt am aufstrebenden Nachwuchs, der die Lücken füllen könnte, die jetzt immer mehr und immer schneller die Baby-Boomer hinterlassen. Der Fachkräftemangel ist keine Einbildung.
Das Angebot meines Chefs: Warum ich trotzdem in den Ruhestand gehe
Ich hatte meinem Chef schon vor einem Jahr gesagt, dass ich gehen würde, aber offenbar hat er mir das nicht geglaubt. Deshalb wurde auch niemand eingestellt, den ich noch in Ruhe einarbeiten könnte. Jetzt, wo es ernst wird, ist das Geschrei plötzlich groß, weil mein Wissen dem Unternehmen fehlen würde, ich das doch noch weitergeben müsste, ich eine Lücke reißen würde, die nicht zu füllen sei und, und, und. War mir richtig peinlich, ich befürchtete schon, mein Chef würde anfangen zu weinen, aber zumindest das hat er mir erspart.
Dafür Angebote über Angebote, wenn ich bleiben würde. Ich glaube, ich hätte sogar eine Verdoppelung meines Gehaltes aushandeln können – wollte ich aber nicht. Nach über 40 Jahren in der Mühle muss auch mal Schluss sein. Zumindest so ziemlich. Ich könnte ja vielleicht noch ein paar Stunden in der Woche… Sonst wird mir vielleicht doch langweilig zu Hause. Und der Nachwuchs muss ja auch gefördert werden. Ich könnte mir das also vorstellen, aber meine Regierung zu Hause hat mit härtesten Konsequenzen gedroht, wie allein in Urlaub zu fahren bis hin zur Prüfung einer Scheidungsmöglichkeit. Die beste aller Ehefrauen will mich jetzt ganz für sich haben und nicht nur als Teilzeit-Ehemann. Bei unserer silbernen Hochzeit sprach sie davon, dass wir ja netto nicht 25 Jahre, sondern höchstens die Hälfte verheiratet seien, also nur Petersilienhochzeit feiern würden (weil ich dauernd unterwegs gewesen sein soll). Da ist schon was dran.
Gedanken zum Ruhestand: Ein neues Kapitel beginnt
Also habe ich meinem Chef (dem in der Firma) klargemacht, dass er ab jetzt wirklich ohne mich auskommen muss. Ich denke, das Unternehmen wird deshalb nicht in den Konkurs gehen – so überheblich bin ich nun wirklich nicht. Aber was die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum angeht… Wir werden sehen.
Abschied von der Arbeit – Willkommen im neuen Lebensabschnitt
Ihnen wünsche ich für die Zukunft alles Gute. Bleiben Sie gesund und fleißig, denn schließlich müssen Sie ja jetzt meine Rente finanzieren.
In diesem Sinne herzlichst, Ihr
Felix, der Glückliche