Neues Jahr, neue Zielvereinbarungen: ABER ACHTUNG -Verhandlungspflicht bei Zielvereinbarungs-Boni
Bonuszahlungen sind bei den Beschäftigten ausgesprochen beliebt. Einer Gehaltsstudie von 2024 zufolge betrachten 66 Prozent der Befragten Bonuszahlungen als entscheidendes Kriterium für ihre nächste Jobwahl. Dennoch bieten immer weniger Unternehmen Boni an, oder sie fallen nicht in der erhofften Höhe aus.

Das neue Jahr bringt in vielen Unternehmen Gespräche über Zielvereinbarungen mit sich. Dabei setzen typischerweise Arbeitgeber auf spezifisch, messbare, attraktive, realistische und terminierte Ziele. Aber was passiert, wenn keine Einigung erzielt wird? Bisher war eine arbeitsvertraglich vereinbarte „Auffanglösung“ üblich: Scheiterten die Verhandlungen, durfte der Arbeitgeber die Ziele einseitig vorgeben. Doch das BAG (BAG, Urteil vom 03.07.2024 – 10 AZR 171/23) hat einen Wechsel von Zielvereinbarung auf eine einseitige Zielvorgabe eingeschränkt und entschieden, dass Klauseln, die ohne weitere Voraussetzungen von einer Zielvereinbarung zu einer Zielvorgabe wechseln, nach AGB-Recht unwirksam sind.
Der Grund: Solche Klauseln ermöglichen es Arbeitgebern, Verhandlungen grundlos zu verweigern oder abzubrechen. Arbeitgeber müssen daher echte Verhandlungen führen und realistische, ernsthaft verhandelbare Ziele anbieten.
Was nun?
Ein durchdachtes Bonussystem kann ein wirksames Mittel sein, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden.
Arbeitgeber können regeln, dass ein Bonus nur bei Erreichen bestimmter Ziele gezahlt wird. Diese Ziele lassen sich auf zwei Wegen festlegen:
- Zielvereinbarung, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte sich einvernehmlich auf Ziele einigen.
- Zielvorgabe, wenn der Arbeitgeber die Ziele einseitig vorgibt.
Früher gab es die angesprochene Mischform, die das BAG in dem genannten Urteil von Juli 2024 jedoch für unwirksam erklärte. Das BAG betonte mit dem Urteil, dass der vorrangig vertragliche Anspruch auf eine gemeinsame Zielvereinbarung nicht durch eine einseitige Zielvorgabe unterlaufen werden darf.
Mitgestaltung und Dokumentation bei der Verhandlung
Gleichzeitig legte das BAG im Urteil noch einmal dar, wie genau die Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin und Arbeitgeber aussehen müssen. Ordnungsgemäße Verhandlungen über eine Zielvereinbarung liegen nur dann vor, wenn der Arbeitgeber bereit ist, den wesentlichen Inhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Diskussion zu stellen und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur interessengerechten Mitgestaltung einräumt. Die Verhandlungen müssen auf Augenhöhe sein.
Eine gute Dokumentation von den Verhandlungen ist das A und O, um notfalls beweisen zu können, dass sie den Anforderungen gerecht wurden und trotzdem keine Einigung gefunden werden konnte.
Unternehmen stehen damit vor einer neuen Herausforderung. Die Entscheidung schafft zwar Schutz vor „Scheingesprächen“, führt aber auch zu Rechtsunsicherheiten und einem höheren administrativen Aufwand. Unternehmen müssen jetzt ihre „Auffanglösungen“ umgestalten und Gespräche und Einigungsversuche exakt dokumentieren. Eine Alternative besteht darin, zukünftig statt Zielvereinbarungsklauseln mit „Auffanglösung“ reine Zielvorgabeklauseln im Arbeitsvertrag zu vereinbaren.
Was, wenn ein Bonussystem im Arbeitsvertrag festgehalten, aber keine Ziele festgelegt wurden?
Dann kommt es zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers. Wenn im Arbeitsvertrag steht, dass beide Parteien für die Zielvereinbarung verantwortlich sind, kann allerdings ein Mitverschulden des Arbeitnehmers anzunehmen sein. Andernfalls entspricht der Schadensersatz in der Regel der Zahlungshöhe des Vorjahresbonus.
Ausnahmen können sich jedoch gelten, wenn eine schlechtere Leistung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin klar erkennbar ist oder das Unternehmen wirtschaftlich schlechter dasteht als im Vorjahr. Auch hier kommt es wieder maßgeblich auf die Dokumentation an.
Unternehmen sollten aufgrund der Risiken prüfen, ob es sinnvoll ist, auf einen Zielfestlegungsprozess nach eigenem billigem Ermessen umzusteigen. Möchten Unternehmen von Anfang an einseitig Ziele festlegen, gilt für die Zielvorgabe: Sie muss transparent und erreichbar sein. Achtung: Auch der Zeitpunkt, zu dem die Ziele spätestens festgelegt sein müssen, ist wichtig. Dies sollte so früh im Jahr wie möglich erfolgen. Gibt es keine Zielvereinbarung oder Zielvorgabe bis mehr als drei Viertel des Jahres abgelaufen sind, kann sich das Unternehmen mit Schadensersatzforderungen konfrontiert sehen. |
von Frau Dr. Felisiak von Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte
Mehr Beitrage zum Thema:
Das Mitarbeiterportal als 360-Grad-Kommunikations- und Administrationstool
Fokusthema: Mitarbeiterbindung – Unbegrenzter Urlaub