Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß
Sechs FDP-Abgeordnete sind mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag gescheitert. Laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) besteht der finanzielle Mehrbedarf, der die Abgabe rechtfertigt, weiterhin. Auch einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes sah das Gericht nicht. Die Entscheidung verhindert ein milliardenschweres Loch im Bundeshaushalt.

Historie und Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
Über den „Soli“ wird seit Jahren politisch gestritten. Ursprünglich wurde er 1995 eingeführt, um die Wiedervereinigung und den Aufbau Ost zu finanzieren, und betraf zunächst alle Steuerpflichtigen. Seit 2021 zahlen ihn jedoch nur noch Unternehmen, Kapitalanleger und Besserverdienende. Nun haben die Richterinnen und Richter in Karlsruhe bestätigt: Auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist der Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß (Urteil vom 26.03.2025 – 2 BvR 1505/20).
Erstes Beschwerdeargument: Eigentumsgrundrecht verletzt?
Die sechs FDP-Politiker hatten ihre Beschwerde mit zwei Argumenten begründet: Zum einen verletze das Solidaritätszuschlaggesetz (SolZG) ihr Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 GG, da der Gesetzgeber trotz Wegfalls der ursprünglichen Zweckbindung weiterhin an der Abgabe festhalte. Sie führten an, die Ergänzungsabgabe sei von Anfang an zeitlich begrenzt gewesen und ihre Grundlage mit dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 entfallen.
Zweites Beschwerdeargument: Ungleichbehandlung
Zum anderen rügten sie eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Artikel 3 Absatz 1 GG. Der Soli müsse nur noch von rund zehn Prozent der Steuerpflichtigen mit hohem Einkommen gezahlt werden, was sie als ungerecht empfanden.
Gerichtliche Klarstellung zur Erhebung des Zuschlags
Der Zweite Senat gab den Beschwerdeführern insoweit Recht, dass der Solidaritätszuschlag nicht unbegrenzt erhoben werden darf. Als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Artikel 106 Absatz 1 Nr. 6 GG setze er – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – voraus, dass beim Bund ein zusätzlicher Finanzbedarf zur Erfüllung seiner Aufgaben besteht. Sollte dieser wegfallen, müsse der Gesetzgeber die Abgabe aufheben oder zumindest anpassen.
Gutachten belegt anhaltenden Finanzbedarf
Allerdings stellte das Gericht klar, dass ein solcher Wegfall des Mehrbedarfs aktuell nicht erkennbar sei. Ein vom BVerfG eingeholtes Gutachten belege, dass der Bund weiterhin einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung habe. Dass der Solidarpakt II im Jahr 2019 auslief, ändere daran nichts.
Überprüfungspflicht des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber sei zwar verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob der Bedarf weiterhin gegeben ist – eine Pflicht zur Abschaffung des Zuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bestehe jedoch nicht.
Besonderheiten der Ergänzungsabgabe
In seiner Begründung betonte der Zweite Senat die Besonderheiten der Ergänzungsabgabe, die sich von anderen Steuern unterscheide. Sie knüpfe nicht an einen konkreten Steuergegenstand an, sondern diene der Finanzierung einer bestimmten staatlichen Aufgabe. Deshalb müsse ihre Erhebung stets begründet sein – insbesondere zum Schutz der Steuerzahler und der Länder, die keinen Einfluss auf die Einführung einer solchen Abgabe hätten.
Gestaltungsspielraum und Befristung der Abgabe
Gleichwohl müsse das Ziel nur in groben Zügen benannt werden. Das Gericht prüfe lediglich, ob der genannte Mehrbedarf offensichtlich entfallen sei. Im Übrigen stehe dem Gesetzgeber bei der Bewertung ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Eine grundsätzliche Befristung der Ergänzungsabgabe sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich.
Zurückweisung des zweiten FDP-Arguments
Auch das zweite Argument der FDP-Politiker wies das Gericht zurück. Der Solidaritätszuschlag sei zwar sozial gestaffelt, wie es die Große Koalition bei der teilweisen Abschaffung 2021 vorgesehen hatte – dies sei aber durch das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 1 GG) und die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerechtfertigt.
Angemessenheit des Zuschlagssatzes
Darüber hinaus sei der Zuschlagssatz von 5,5 Prozent auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer weder unverhältnismäßig hoch noch unzumutbar. Der Gesetzgeber verletze damit auch nicht das föderale Finanzausgleichssystem zulasten der Länder.
Finanzielle Bedeutung für den Bundeshaushalt
Für die Bundesregierung ist die Entscheidung angesichts der angespannten Haushaltslage ein wichtiger Rückhalt: Der Solidaritätszuschlag bringt dem Bund weiterhin zweistellige Milliardenbeträge jährlich ein. Ein Wegfall hätte ein erhebliches Finanzloch verursacht. Hätte das BVerfG den Soli gekippt, wären zudem Rückzahlungen in Milliardenhöhe möglich gewesen – seit 2020 rund 65 Milliarden Euro.
BVerfG, Urteil vom 26.03.2025 – 2 BvR 1505/20