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Der Koalitionsvertrag – Die Ergebnisse aus arbeitsrechtlicher Sicht

Nach langen Verhandlungen haben sich CDU/CSU und SPD am 09.04.2025 auf einen neuen Koalitionsvertrag geeinigt. Das 146-seitige Regierungsprogramm trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“ und skizziert die Ziele der kommenden Legislaturperiode.

Allgemein
Lesezeit 13 Min.
Holzfiguren stehen im Kreis um ein rundes Element mit einer Zielscheibe und Pfeil in der Mitte – symbolisiert Zusammenarbeit und gemeinsame Zielsetzung im Kontext eines Koalitionsvertrags.
Foto: © stock.adobe.com/tete_escape

Aus arbeitsrechtlicher Perspektive enthält der Koalitionsvertrag zahlreiche Vorhaben, die für Personalabteilungen und die Entgeltabrechnung relevant sind. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten geplanten Änderungen im Arbeitsrecht sowie ihre Implikationen für HR-Verantwortliche und Payroll.

1. Mindestlohn anheben

Die Koalitionsparteien bekräftigen ausdrücklich ihr Bekenntnis zum gesetzlichen Mindestlohn. Auch künftig soll die unabhängige Mindestlohnkommission die Höhe festlegen, orientiert an der Tariflohn-Entwicklung und 60% des Bruttomedianlohns. 

Mit der Zielmarke eines Mindestlohns von 15 Euro bis 2026 konkretisieren die Koalitionspartner ihr sozialpolitisches Versprechen und setzen zugleich neue Leitlinien für die Arbeit der Mindestlohnkommission. Zwar bleibt die Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns weiterhin in der Zuständigkeit der unabhängigen Kommission, deren Rolle gestärkt werden soll, jedoch erfolgt eine strategische Neuausrichtung durch politisch definierte Orientierungskriterien.

Künftig soll sich die Kommission bei ihrer Gesamtabwägung sowohl an der allgemeinen Tariflohnentwicklung als auch an einem Zielwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Die geplante Anhebung wird dabei nicht nur unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit betrachtet, sondern auch mit beschäftigungs- und wirtschaftspolitischen Argumenten untermauert: Ein armutsfester Mindestlohn soll die Binnenkaufkraft stärken, atypische Beschäftigungsformen zurückdrängen und die Grundsicherungssysteme entlasten. Darüber hinaus kann ein solcher Mindestlohn zur Angleichung regionaler Lebensverhältnisse beitragen, indem er Lohnwettbewerb auf niedrigem Niveau eindämmt und strukturschwache Regionen stabilisiert.

 

2. Tarifbindung: Der Bund greift ein 

Die künftige Bundesregierung bekennt sich klar zur Stärkung der Tarifbindung und der Rolle der Gewerkschaften. Ein zentrales Vorhaben in diesem Zusammenhang ist das angekündigte Bundestariftreuegesetz. Es soll für öffentliche Vergaben auf Bundesebene gelten und dabei Tariftreue zur Voraussetzung machen: Für Aufträge ab 50.000 Euro – bei innovativen Start-ups in den ersten vier Jahren nach Gründung ab 100.000 Euro – wird die Einhaltung tariflicher Standards verpflichtend. Zugleich soll das Verfahren möglichst unbürokratisch ausgestaltet werden, mit minimalem Aufwand für Nachweise und Kontrollen.

HR-Abteilungen von Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, müssen also prüfen, ob ihre Entlohnungsbedingungen tarifkonform sind. Im Ergebnis soll dieses Gesetz den fairen Wettbewerb stärken und mehr Arbeitgeber zur Anwendung von Tarifverträgen bewegen.

Begleitend soll die gewerkschaftliche Interessenvertretung gestärkt werden. Geplant ist ein digitaler Zugang der Gewerkschaften zu den Betrieben – als Ergänzung zu ihren bestehenden analogen Zugangsrechten. Zudem sollen steuerliche Anreize die Attraktivität der Gewerkschaftsmitgliedschaft erhöhen und damit zu einer höheren Tarifbindung beitragen.

3. Arbeitszeit: wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit 

Die Bundesregierung plant eine grundlegende Reform des Arbeitszeitrechts, die auf mehr Flexibilität und Eigenverantwortung setzt – bei gleichzeitiger Wahrung zentraler Schutzstandards. Im Fokus steht die Möglichkeit, künftig eine wöchentliche statt ausschließlich eine tägliche Höchstarbeitszeit gesetzlich zu ermöglichen. Zur konkreten Ausgestaltung soll ein Dialog mit den Sozialpartnern geführt werden.

Hinweis

Das bedeutet, dass nicht mehr strikt auf maximal 8–10 Stunden pro Tag, sondern auf die Gesamtstundenzahl pro Woche abgestellt wird – im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG), die eine Höchstgrenze von 48 Stunden wöchentlich vorsieht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen dadurch freier entscheiden können, wie sie die Arbeitsstunden innerhalb der Woche aufteilen.

Wichtig ist jedoch, dass die gesetzlichen Ruhezeiten weiterhin eingehalten werden müssen – hieran wird sich nichts ändern. Insbesondere bleibt die elf-stündige Mindestruhezeit nach jedem Arbeitstag bestehen.
Insgesamt verspricht diese Flexibilisierung mehr Spielraum für Unternehmen und Mitarbeiter, z.B. um Arbeitsspitzen durch längere Tage auszugleichen – Work-Life-Balance und Arbeitsschutz dürfen dabei aber nicht aus dem Blick geraten.

4. Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit 

Auch das Thema Arbeitszeiterfassung steht prominent im Koalitionsvertrag. Die bereits durch EuGH und Bundesarbeitsgericht bekräftigte Pflicht zur Arbeitszeitdokumentation soll gesetzlich umgesetzt, aber möglichst unbürokratisch gestaltet werden.

Hinweis

Damit zieht der Gesetzgeber (endlich) nach. Die Gewerbeaufsichtsämter knüpfen ohnehin schon an die ergangene BAG- und EuGH-Rechtsprechung an und verlangen, die Einsicht in Arbeitszeitaufzeichnungen.

Vorgesehen ist die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Arbeitszeiterfassung, wobei insbesondere kleine und mittlere Unternehmen durch angemessene Übergangsregelungen entlastet werden sollen.

Vertrauensarbeitszeit bleibt weiterhin möglich, sofern sie im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie erfolgt. Die bestehenden Ruhezeitregelungen sowie der Schutz vor einseitiger Mehrbelastung der Beschäftigten bleiben unberührt.

Hinweis

Für HR bedeutet das einerseits, sich auf neue Dokumentationspflichten vorzubereiten (z.B. Auswahl eines geeigneten Zeiterfassungssystems), andererseits aber auch die Chance, flexible Arbeitszeitmodelle fortführen zu können. Bis zur gesetzlichen Neuregelung bleibt zu beachten, dass die Arbeitszeiten bereits jetzt erfasst werden müssen – in welcher Form auch immer – um Compliance mit dem Arbeitsschutzgesetz sicherzustellen.

5. Steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit und spätere Rente 

Parallel zur geplanten Flexibilisierung der Arbeitszeitrahmen sollen auch steuerliche Anreize geschaffen werden, um Mehrarbeit attraktiver zu machen und Fachkräfte im Erwerbsleben zu halten. Geplant sind die folgenden Erleichterungen:

Überstundenzuschläge steuerfrei

Künftig sollen Zuschläge für Arbeitsstunden, die über die tariflich definierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt werden. Als Referenzrahmen gilt dabei eine tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden; in tariflosen Arbeitsverhältnissen wird eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zugrunde gelegt. Die konkrete Umsetzung soll in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen und praxisnah ausgestaltet werden.

Hinweis

Überstunden werden so für Arbeitnehmer attraktiver, und Arbeitgeber können Mehrarbeit finanziell schmackhaft machen, ohne dass sofort Abzüge fällig werden.

Teilzeit-Ausweitung belohnen

Zudem plant die Bundesregierung einen weiteren steuerlichen Anreiz zur Erhöhung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten: Zahlen Arbeitgeber eine Prämie für die Ausweitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, soll auch diese steuerlich begünstigt werden. Ziel ist es, zusätzliche Arbeitszeitkapazitäten zu aktivieren – unter Berücksichtigung tariflicher und betrieblicher Gegebenheiten.

Damit sollen Teilzeitkräfte motiviert werden, mehr Stunden zu übernehmen, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Weiterarbeit im Rentenalter

Anstatt das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, soll der Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand flexibler gestaltet werden. Ein zentraler Bestandteil dieses Vorhabens ist die Einführung einer sogenannten Aktivrente, die das Arbeiten im Alter fördert. Beschäftigte, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben und freiwillig weiterarbeiten, sollen künftig bis zu 000 Euro ihres Gehalts monatlich steuerfrei erhalten.

Darüber hinaus ist geplant, die Rückkehr zum ehemaligen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erleichtern, indem das Vorbeschäftigungsverbot aufgehoben wird. Dies soll befristetes Weiterarbeiten nach Erreichen des Rentenalters ermöglichen.

Weitere Maßnahmen betreffen die Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten: So sollen Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung sowie Hinterbliebene von verstorbenen Rentnern künftig mehr dazuverdienen können, ohne ihre Ansprüche zu gefährden.

Gewerkschafts-Mitgliedschaft fördern

Auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft soll finanziell attraktiver werden – die Koalition plant hierfür steuerliche Vergünstigungen. Dies dürfte z.B. auf eine bessere Absetzbarkeit von Mitgliedsbeiträgen abzielen und ist als Signal der Unterstützung an die Sozialpartner zu verstehen.

6. Entgelttransparenz: EU-Richtlinie umsetzen

Ein zentrales Gleichstellungsthema ist die Entgelttransparenz zwischen Männern und Frauen. Die EU hat hierzu 2023 die Entgelttransparenzrichtlinie erlassen, die bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt sein muss. Die neue Koalition bekennt sich zum Ziel „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen und Männer bis 2030. Um dies zu erreichen, soll die EU-Richtlinie „bürokratiearm“ ins deutsche Recht übertragen werden. Konkret ist geplant, eine Kommission einzusetzen, die bis Ende 2025 Vorschläge für die Umsetzung erarbeitet. Auf dieser Basis sollen dann zügig Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Für Unternehmen – insbesondere größere Arbeitgeber – bedeutet dies, dass neue Berichts- und Auskunftspflichten zum Thema gleiche Bezahlung anstehen.

Personalabteilungen sollten sich frühzeitig mit den Inhalten der EU-Richtlinie vertraut machen. So müssen etwa Lohngefüge auf Diskriminierungen geprüft und gegebenenfalls angepasst werden, da Beschäftigte künftig leichter Auskunft über die Gehälter vergleichbarer Kollegen verlangen können. Die Umsetzung der Richtlinie wird ein wichtiger Schritt im Kampf gegen das Gender Pay Gap und erfordert vorausschauende Planung seitens HR.

 

7. Digitalisierung und KI: Mehr Mitbestimmung für Betriebsräte 

Vor dem Hintergrund einer zunehmend digitalisierten und durch Künstliche Intelligenz (KI) geprägten Arbeitswelt soll die betriebliche Mitbestimmung umfassend modernisiert werden. Geplant ist die rechtliche Gleichstellung digitaler Formate – etwa von Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen – mit analogen Formaten. Auch eine gesetzliche Verankerung der Online-Wahl im Betriebsverfassungsgesetz ist vorgesehen. Das Zugangsrecht der Gewerkschaften soll um digitale Kontaktmöglichkeiten ergänzt werden; steuerliche Anreize sollen zudem die Attraktivität der Gewerkschaftsmitgliedschaft erhöhen.

Darüber hinaus wird eine Fortentwicklung der Mitbestimmung im Kontext des betrieblichen Einsatzes von KI angestrebt. Dabei rücken Fragen algorithmischer Steuerung, automatisierter Leistungsbewertung und KI-gestützter Personalentscheidungen in den Fokus. Die Einführung spezifischer Mitbestimmungsrechte in diesen Bereichen soll durch Qualifizierungsmaßnahmen, Datenschutzvorgaben sowie durch spezialisierte Schulungs- und Beratungsangebote flankiert werden. Perspektivisch könnte dies zur Schaffung neuer Mitbestimmungstatbestände führen, die insbesondere Transparenz, Revisionsrechte und Kontrollmöglichkeiten für Betriebsräte stärken.

 

8. Bürokratieabbau 

Schriftform bei Teilzeit

Die neue Bundesregierung setzt den bereits von der Vorgängerregierung eingeschlagenen Kurs fort, bürokratische Hürden im Arbeitsrecht weiter abzubauen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die geplante Abschaffung der Schriftformpflicht bei Befristungen, die derzeit noch in § 14 Abs. 4 TzBfG verankert ist.

Damit aber nicht genug. Zahlreiche gesetzliche Schriftform-Pflichten im Arbeitsrecht will man streichen oder erleichtern. Geplant ist eine Generalklausel, um dort, wo es möglich ist, die schriftliche Form durch elektronische Verfahren zu ersetzen.

Statusfeststellungsverfahren

Zudem soll das Statusfeststellungsverfahren, das klärt, ob ein Arbeitsverhältnis als selbstständig oder abhängig beschäftigt einzustufen ist, effizienter und transparenter gestaltet werden. Ziel ist es, für Selbstständige, Arbeitnehmer und Unternehmen schnellere, rechtssichere und klarere Verfahren zu ermöglichen. Auch der Missbrauch von Scheinselbstständigkeit soll durch eine Reform der Alterssicherung für Selbstständige sowie die Einführung einer Genehmigungsfiktion verhindert werden. 

Telefonische Krankschreibung

Abschließend möchte man an der Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung festhalten, sie jedoch so anpassen, dass Missbrauch ausgeschlossen wird. So ist unter anderem geplant, die Nutzung privater Online-Plattformen für die Krankschreibung zu verbieten.

Förderung Startup – Gründung

Der Koalitionsvertrag kündigt die Einführung einer sog. Gründerschutzzone an. Es soll ein „One-Stop-Shop“ geschaffen werden, der alle Anträge und Behördengänge auf einer Plattform digital bündelt und somit die Unternehmensgründung innerhalb von 24h ermöglicht.

Startups sollen auch dahingehend unterstützt werden, als dass die beliebte Mitarbeiterkapitalbeteiligung durch eine praxisnahe Ausgestaltung von Steuer- und Sozialversicherungsrecht weiter gestärkt wird.

 

9. Arbeits- und Fachkräftesicherung

Als entscheidenden Faktor für die Fachkräftesicherung sehen die Koalitionspartner die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen an. Um dies zu erreichen wir geprüft, ob ein jährliches Familienbudgets eingeführt werden kann, der als „Alltagshelfer“ für Familien mit kleinen Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen und mittleren Einkommen dienen soll. Dieses Budget soll digital zugänglich gemacht werden. Hiermit soll die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei haushaltsnahen Dienstleistungen gefördert werden und Schwarzarbeit bekämpft werden.

Zudem soll zur Effizienzsteigerung der Erwerbsmigration sowie zur vereinheitlichten und beschleunigten Anerkennung ausländischer Qualifikationen eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung unter Mitwirkung der Bundesagentur für Arbeit geschaffen werden, die „Work-and-stay-Agentur„. Die Agentur soll unter anderem alle Prozesse der Erwerbsmigration und der Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen bündeln und beschleunigen und diese mit den Strukturen in den Ländern verzahnen. Hier soll eine bessere Arbeitgeberbeteiligung und ein einheitliches Anerkennungsverfahren innerhalb von acht Wochen inklusive Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung die Fachkräfteeinwanderung verbessern. Außerdem wollen die Regierungskoalitionäre die schnelle und nachhaltige Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt mit einer Verbindung aus früherer Arbeitserfahrung, berufsbegleitendem Spracherwerb und berufsbegleitender Weiterbildung/Qualifizierung dauerhaft voranbringen. 

Zudem sollen grundsätzlich Hürden für Flüchtlinge bei der Beschäftigungsaufnahme abgebaut und Arbeitsverbote auf maximal drei Monate reduzieren werden. Hiervon ausgeschlossen seien: Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, Dublin-Fälle oder Personen, die das Asylrecht offenkundig missbrauchen.

Hinweis

Für HR-Abteilungen bedeutet das perspektivisch schnellere Recruiting-Prozesse bei der Einstellung ausländischer Spezialisten. Unternehmen sollten die Entwicklungen verfolgen, um neue Möglichkeiten der Talentgewinnung zeitnah nutzen zu können.

10. Arbeitsschutz 

Die Aussagen zum Arbeitsschutz im Koalitionsvertrag zeigen einen klaren politischen Willen zur Stärkung präventiver Maßnahmen – insbesondere im Hinblick auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Neben dem allgemeinen Bekenntnis zu besseren Arbeitsbedingungen für körperlich stark belastete Berufsgruppen wird auch der Ausbau branchenspezifischer Schutzstandards betont, etwa für Berufskraftfahrer sowie Beschäftigte im Kurier-, Express- und Paketdienstsektor.

Zudem soll der präventive Gesundheitsschutz strategisch aufgewertet werden, indem mobile und hybride Arbeitsformen arbeitswissenschaftlich begleitet und unter präventiven Gesichtspunkten neu reguliert werden. Ziel ist es, psychosoziale Belastungen systematisch in den Arbeitsschutz zu integrieren.

 

11. Betriebliche Altersvorsorge 

Ergänzend zu den rentenpolitischen Maßnahmen beabsichtigt die Regierungskoalition, die betriebliche Altersversorgung (bAV) gezielt auszubauen – insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen sowie Beschäftigte mit geringem Einkommen. Die bestehenden Förderinstrumente für Geringverdienende sollen weiterentwickelt und verbessert werden, um eine breitere Teilhabe an der bAV zu ermöglichen.

Darüber hinaus ist eine umfassende Modernisierung der bAV vorgesehen: Sie soll digitalisiert, vereinfacht, transparenter gestaltet und von bürokratischen Hürdenbefreit werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Portabilität, sodass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Ansprüche bei einem Arbeitgeberwechsel künftig einfacher mitnehmen können.

 

12. Inklusion am Arbeitsmarkt

Es ist vorgesehen, die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt weiter zu fördern, um ihnen das Recht auf eine vollständige, gleichberechtigte und wirksame Teilhabe zu ermöglichen. Dabei sollen die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) enger mit Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation sowie den Vermittlungsdiensten der Bundesagentur für Arbeit zusammenarbeiten. Zudem wird eine Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen angestrebt.

Ein weiteres Ziel ist es, die Übergänge zwischen beruflicher Rehabilitation, Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetrieben und dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern und die Durchlässigkeit dieser Systeme zu erhöhen.

 

13. Stärkung des Diskriminierungsschutzes (AGG-Reform)

Der Koalitionsvertrag stellt klar, dass Benachteiligungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz keinen Platz haben dürfen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll daher reformiert und der Diskriminierungsschutz gestärkt werden.

Konkrete Maßnahmen wurden zwar im Vertrag noch nicht detailliert benannt, doch denkbar sind z.B. verlängerte Beschwerdefristen, höhere Entschädigungen oder der Ausbau der Rechte der Antidiskriminierungsstelle.

Hinweis

Für HR-Verantwortliche bedeutet dies, dass sie ihre Diversity-&-Inclusion-Strategien auf den Prüfstand stellen sollten. Es ist ratsam, Schulungen zum AGG regelmäßig anzubieten und ein besonderes Augenmerk auf Benachteiligungsverbot und Beschwerdeverfahren zu legen. Sobald die Gesetzesreform kommt, müssen betriebliche Richtlinien und Arbeitsverträge eventuell angepasst werden, um den neuen Anforderungen zu genügen.

Fazit

Fazit

Der Koalitionsvertrag 2025 bringt umfassende arbeitsrechtliche Neuerungen, auf die sich HR- und Payroll-Abteilungen frühzeitig einstellen sollten. Von der Erhöhung des Mindestlohns über die Flexibilisierung der Arbeitszeit und verpflichtende Zeiterfassung bis hin zum bürokratischen Lastenabbau zeichnen sich zahlreiche Änderungen ab, die Lohnkosten, Arbeitszeitgestaltung und Compliance direkt beeinflussen.

Personalverantwortliche tun gut daran, die anstehenden Gesetzgebungsverfahren aufmerksam zu verfolgen und bereits jetzt interne Prozesse auf Anpassungsbedarf zu überprüfen – sei es bei Arbeitszeitmodellen, Entgeltstrukturen oder HR-IT-Systemen. Insbesondere die Umsetzung europäischer Vorgaben (z.B. zur Arbeitszeiterfassung und Entgelttransparenz) dürfte zügig vorangetrieben werden. Eine vorausschauende Planung hilft, böse Überraschungen zu vermeiden: Wer rechtzeitig Richtlinien, Verträge und Abläufe an die neuen Regelungen anpasst, wird den Übergang meistern und kann die Chancen der Reformen – von effizienterer Verwaltung bis hin zu attraktiveren Arbeitsbedingungen – optimal nutzen.

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