Paukenschlag für die Praxis: Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte ab der ersten Überstunde
Tarifverträge enthalten häufig Regelungen, die Zuschläge nicht für jede Stunde über die vertragliche Arbeitszeit hinaus gewähren, sondern erst ab einer bestimmten absoluten Stundenanzahl.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass Teilzeitbeschäftigte bereits mit der ersten Überstunde einen Anspruch auf Zuschläge haben, wenn auch Vollzeitkräfte solche Zuschläge erhalten und keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung besteht (BAG, Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20). Das Gericht setzte damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2023 um (EuGH, Urteil vom 19.10.2023 – C-660/20).
Worum ging es?
Die Klägerin, eine Teilzeitbeschäftigte in der Pflege, machte zahlreiche Überstunden. In ihrem Fall galt ein Tarifvertrag, der Überstundenzuschläge erst dann vorsah, wenn die tarifliche Vollzeitwochenarbeitszeit überschritten war – für die Klägerin also deutlich später als für Vollzeitkräfte. Konkret gewährte eine tarifvertragliche Regelung allen Arbeitnehmern ab der 41. Wochenstunde einen Zuschlag. Vollzeitkräfte kamen damit schon mit der ersten Stunde über ihrer vertraglichen Wochenarbeitszeit in den Genuss eines Zuschlags. Teilzeitbeschäftigte mit 20 Wochenstunden mussten hingegen zunächst 20 Stunden „aufholen“, um schließlich für die 41. Stunde einen Zuschlag zu erhalten. Solche Tarifregelungen, die an die Überstunden von Vollzeitbeschäftigten anknüpfen, sind im öffentlichen Dienst und anderen Branchen weit verbreitet.
Vor dem BAG hatte sie schließlich Erfolg: Sie erhielt nicht nur eine Gutschrift für Überstundenzuschläge, sondern auch eine Entschädigung. Rechtlich stützt das Gericht seine Entscheidung unter anderem auf § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), das eine schlechtere Behandlung von Teilzeitkräften verbietet, sowie auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Nach §§ 1, 7 AGG ist auch eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts untersagt. Das BAG sah beides als erfüllt an.
Auswirkungen für die Praxis
Das BAG hat diese tarifvertragliche Regelung zu Überstundenzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte gekippt, die viele Arbeitgeber bislang für rechtmäßig hielten. Und nun?
Es ist unzulässig, Überstundenzuschläge pauschal an Vollzeitarbeit zu knüpfen. Stattdessen muss individuell geprüft werden, ob Teilzeitkräfte benachteiligt werden. Die Anforderungen an faire Vergütungsstrukturen werden damit höher. Das Urteil zeigt, was unzulässig ist, doch wie eine diskriminierungsfreie Regelung konkret aussieht, bleibt weiterhin unklar. Arbeitgeber müssen Lösungen finden, die bei Teilzeit- und Vollzeitkräften gleichermaßen gerecht sind und zugleich nicht zu einer Umkehrdiskriminierung führen.
Die Rechtslage hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gewandelt. Teilzeitkräfte haben denselben Anspruch auf Überstundenzuschläge wie Vollzeitbeschäftigte – das hat das BAG klar entschieden. Gelten soll das schon ab der ersten Überstunde. |