Trendthema #1 – Homeoffice auf ärztliches Rezept?
Immer mehr Arbeitnehmer legen Atteste vor, die ihnen ausschließlich Homeoffice empfehlen. Doch was bedeutet das juristisch – und müssen Arbeitgeber dem wirklich folgen?

Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben – zumindest teilweise. Während viele Unternehmen wieder verstärkt auf Präsenz setzen („Return to Office“), mehren sich die Fälle, in denen Arbeitnehmer mit einem ärztlichen Attest ankommen, das ihnen die Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice „empfiehlt“. Was auf den ersten Blick nach einem medizinisch fundierten Wunsch klingt, wirft juristisch spannende Fragen auf: Muss der Arbeitgeber das akzeptieren? Was bedeutet ein solches „Homeoffice-Attest“ für den Arbeitsvertrag, das Direktionsrecht und die Fürsorgepflicht?
Was ein Homeoffice-Attest (nicht) ist:
Klar ist: Ein solches Attest stellt gerade keine klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dar. Denn wer arbeitsunfähig ist, kann seine zuletzt geschuldete Tätigkeit krankheitsbedingt nicht ausüben. Bei einem Homeoffice-Attest dagegen geht es nicht um generelle Unfähigkeit zur Arbeitsleistung – sondern um die Frage, wo die Arbeit verrichtet werden kann.
Damit fehlt die gesetzlich verlangte Trennlinie zwischen arbeitsfähig und arbeitsunfähig. Der Arbeitnehmer ist eben nicht krank im Sinne des § 3 EFZG – folglich fehlt es auch am Vergütungsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit. Die Empfehlung, zu Hause zu arbeiten, bleibt rechtlich unverbindlich.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers:
Ohne vertragliche oder kollektivrechtliche Grundlage gibt es keinen Rechtsanspruch auf Arbeit aus dem Homeoffice. Der Arbeitsort unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO – dieses muss jedoch nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Dabei sind sowohl betriebliche Belange als auch die gesundheitlichen Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Ein ärztliches Attest ist hierbei ein Gesichtspunkt – aber kein Automatismus.
Praxistipp:
Was Arbeitgeber tun dürfen – und sollten:
- Attest prüfen: Arbeitgeber dürfen sich ärztliche Empfehlungen genau erklären lassen. Dazu gehört auch das Recht, Informationen über die zugrunde liegenden Einschränkungen oder Empfehlungen zu erhalten.
- Arbeitsplatzgestaltung hinterfragen: Vielleicht reichen ergonomische Maßnahmen, ein Büroplatzwechsel oder temporäre Ausnahmeregelungen aus, um die Tätigkeit im Betrieb zu ermöglichen.
- Dokumentieren und kommunizieren: Die Entscheidung sollte gut begründet, dokumentiert und gegenüber dem Arbeitnehmer transparent kommuniziert werden.
- Konsequenzen ziehen: Verweigert ein Arbeitnehmer die Arbeit im Betrieb trotz klarer Weisung, kann dies arbeitsrechtliche Maßnahmen – von Abmahnung bis Kündigung – nach sich ziehen.
Fazit:
Homeoffice-Atteste sind weder eine neue Kategorie im Arbeitsrecht noch ein Freifahrtschein für mobiles Arbeiten. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, diese ohne Prüfung zu akzeptieren – wohl aber gut beraten, solche Fälle sorgfältig und transparent zu behandeln. Es braucht einen fairen Ausgleich zwischen individueller Gesundheit und betrieblicher Organisation – mit klarem Blick auf die rechtlichen Grundlagen und möglichen Risiken.